Samstag, 20. Juli 1996

Klaus Doldinger: Doldinger-Marathon

Klaus Doldinger ist 60 — aber am Ende des langen Eröffnungsabends der Stuttgarter »JazzOpen '96« nur ein bisschen müde. Dabei muss dieser Musik-Marathon doch für ihn ein rechter Stress gewesen sein. Ein Abend mit »Doldinger — dem Gesamt(kunst)werk« — so das Motto der Veranstalter — in drei langen Einzelkonzerten, einer Session und 26 beteiligten Musikern: Das ist auch für jemand, der wie der Bayer Erfolg gewohnt ist, etwas Besonderes.

Deshalb hat er wohl auch, extra für das Stuttgarter Musikfestival, mit der »Doldinger & Friends«-Formation den Titel »Open Jazz« eingeprobt: Etwas deftiger als bei dieser dezent seichten Nummer darf 's heute abend bei der »Blue Note Night« und morgen mit »Santana« aber schon zugehen.

Überhaupt gingen die »Friends« des deutschen Musikers (von Trompeter Randy Brecker über Vibraphonist Mike Manieri, Joachim Kühn am Piano, Bassist Nils-Henning Oersted-Pedersen bis zu Drummer Al Foster allesamt grosse Stars) eher distanziert und kühl ans Werk; der besonders in den ersten Reihen verwaschen-hallige Sound mag zusätzlich zum beliebigen und nicht sonderlich mitreissenden Gesamteindruck dieses Einzelkonzerts beigetragen haben.

Ganz anders die beiden »Passport«-Formationen, die Doldinger auf die Bühne des Hegelsaals der Stuttgarter Liederhalle brachte. Immer noch inspiriert spielte die Urbesetzung von 1973 mit Curt Cress (Schlagzeug), Bassist Wolfgang Schmid und Keyboarder Kristian Schulze — und in der aktuellen Besetzung haben sich Musiker gefunden, die traumhaft sicher zusammen sehr perkussiven, trotz aller Rock-Tendenzen meistens schwingenden Fusion-Jazz machen. Besonders hervorstechend beim »JazzOpen«-Gig: Das Klopf-Duo mit den beiden exzellenten Rhythmikern Ernst Ströer (Perkussion) und Wolfgang Haffner (Schlagzeug).

Am aufregendsten aber war's ganz am Anfang. Da spielte der Jazzer, der seinen Wohlstand aber eher der Tatsache verdient, dass er immer wieder Ohrwürmer für Film und Fernsehen komponiert, mit der »JazzOpen«-Bighand unter der Leitung von Bob Belden und »Passport« zusammen.

Diese riesengroße Schar von hervorragenden Jazzmusikern — unter anderem waren auch Cracks der Region wie der Tübinger Trompeter Claus Stötter, Oliver Leicht am Sax oder Posaunist Eberhard Budziat mit dabei — setzte bekannte Melodien des Münchners in neuen Arrangements frisch und ansprechend um. Diese grossorchestral schillernden Musik-Gewänder standen den Titelmelodien von »Tatort« und »Liebling Kreuzberg«, der »Unendlichen Geschichte« und dem »Boot« ganz hervorragend. (mpg)

500 von 5000

In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...