Seine Musik war immer wichtiges und mitunter kontrovers diskutiertes Thema der Szene. Seit ein paar Jahren begeistert Miles Dewey Davis immer mehr auch junge Popfans und verschreckt mal wieder eingefleischte Jazz-Puristen mit einer Gratwanderung zwischen Jazz und Popmusik — in einer Lebensphase, in der sich andere längst auf sichere und erfolgreiche Positionen zurückgezogen haben.
Davis wurde am 25. Mai 1926 als Sohn eines wohlhabenden schwarzen Zahnarztes in Alton, Illinois, USA, geboren. Sein Vater war schwarzer Kultur gegenüber sehr aufgeschlossen — ganz im Gegenteil zu seiner Mutter. Zum 13. Geburtstag will sie ihrem Sohn eine Violine schenken. »Mein Vater kaufte mir dann eine Trompete, weil er Mutter so sehr liebte«, erzählt Miles Davis, dessen Autobiographie vor einem Jahr auch in deutscher Übersetzung erschien.
1944 spielt Miles im Orchester von Billy Eckstine und geht nach New York. Dort teilt er sich eine Wohnung mit dem Altsaxophonisten Charlie »Yardbird« Parker und verbringt viel Zeit mit Dizzy Gillespie. Ein Jahr später spielt Davis bei den ersten Bebop-Plattenaufnahmen mit. Er war (und ist) kein großer Techniker, aber sein scheinbar unterkühlter Sound auf dem Horn, vibratolos, das mittlere Register bevorzugend und mit weichem Ansatz, erschien völlig neu.
Davis wird süchtig nach Heroin, kommt aber 1954 von alleine wieder vom Stoff los. Ein Jahr später entstehen für die Firma »Prestige« Quintettaufnahmen, die heute zu den besten des Jazz überhaupt zählen.
Der Soundtrack zu Louis Malles »Fahrstuhl zum Schafott«, in den späten Fünfzigern live eingespielt, ist eine der aufregendsten Filmmusiken. 1959 gelingt Davis mit dem Album »Kind of Blue« eine für lange Zeit wegweisende Platte, »Sketches of Spain« verbindet europäische mit afroamerikanischen Elementen und lotet das modale Konzept in orchestraler Besetzung weiter aus. Mit dem Aufkommen des Free Jazz geht auch Miles immer näher an die Grenze zur Atonalität, überschreitet sie aber nie. Später tauchen immer mehr Blues-, Soul- und Funk-Elemente in der Musik von Davis auf.
Miles hat mal wieder »New directions« entdeckt, neue Richtungen, die in den Alben »In a silent way« und »Bitches Brew« zu musikalischen Höhepunkten geworden sind. Die Puristen heulten auf, aber Miles weist alle Verrats-Vorwürfe zurück: »Ich muss ,ich verändern".
Zu Beginn der Siebziger — Mr. M. D. wird inzwischen von seiner Plattenfirma mit der für Jazz-Verhältnisse unvorstellbar hohen Summe von 300 000 Dollar für einen Dreijahresvertrag entlohnt — häufen sich für den Trompeter Probleme: Operationen an Galle und Hüfte, Autounfälle, Verhaftungen wegen Kokain-und Waffenbesitzes. 1975 ist des Meisters Alkohol- und Tablettenkonsum enorm, er steht eine Konzerttournee in Japan nur mit Morphium durch und bekommt eine schwere Lungenentzündung. Von 1976 bis 1980 kapselt sich Miles in seinem Haus ein: »Ich war total gelangweilt«.
1981 gibt es ein furioses Comeback für Miles. Er umgibt sich wie immer mit jungen Musikern (alle seiner Mit-Spieler sind selber Stars geworden) und macht da weiter, wo er aufgehört hatte: Rockjazz, Popjazz ganz eigener Prägung. In den letzten Jahren ist Miles, der früher gegenüber Publikum und Kritik mit manchmal extremer Feindseligkeit reagierte, freundlicher geworden. Er winkt ins Publikum, lacht auch schon mal, und tritt häufig in Europa auf. Da mischt er dann — unvergleichlich sparsam — sein Gebräu aus Pop und Jazz, produziert die hinreißendsten Verblaser der Trompetengeschichte und überrascht immer mal wieder mit Interpretationen erfolgreicher Poptitel.
»Es geht mir gut, weil ich mich noch nie so kreativ gefühlt habe. Das Beste liegt, glaube ich, noch vor mir«, sagt Davis. Happy Birthday, Miles!