Dienstag, 29. Dezember 1998

Prince: Ein bißchen Kitsch und viele Hits

»Nachmacher!« schimpften die Kritiker früher, als »The Artist« sich noch vergleichsweise bescheiden »Prince« nannte und sich anschickte, an die Spitzen der Hitparaden zu stürmen und ein Weltstar zu werden. Der Kleine aus Minneapolis würde ja schon richtig gute Popsongs schreiben, aber statt »eigener« Musik doch eigentlich nur Versatzstücke der »Black Music« vom Blues auf den Baumwollfeldern bis hin zu James Brown und Sly Stone präsentieren, hiess es damals.

Das war Anfang, Mitte der 80er, und Prince landete dann mit dem Soundtrack zu seinem gleichnamigen Film-Hit »Purple Rain« - mit zeitlos schönen Alben wie »Parade«, »Sign 0 The Times«, »Lovesexy« und anderen Titeln einen musikalischen Knüller nach dem anderen. Keiner plünderte so geschickt wie der Winzling mit den Liza-Minelli-Augen das gesamte Pop-Archiv, keiner kombinierte so schön pilzköpfige Psychedelica mit den schweisstreibenden Grooves der »Soulbrothers«.

Und plötzlich war »Prince« nur noch als der »Mann, den man mal als Prince kannte« unterwegs. Und »The Artist Formerly Known As Prince«, wie er bis vor kurzem hiess, war auch musikalisch nur noch ein Schatten seiner selbst. Prince ging immer mehr ins Hollywood-Breitwandf ormat, sprich: Immer mehr Kitsch und glänzender Pop-Lack »verzierten« die Songs ausgerechnet des Musikers, der seine ersten drei Platten ziemlich minimalistisch, aber höchst gekonnt einspielte. Tiefpunkt war das 96er-Dreifachalbum »Emancipation«, bei dem höchstens ein Viertel der Stücke trägt, der Rest nur schal, lieblos gemacht und langweilig klingt.

In diesen Tagen besuchte »The Artist«, wie Prince Roger Nelson sich jetzt nennt, mal wieder Stuttgart - lud bestens gelaunt zur »Jam Of The Year« ein. Die fiel zwar ein wenig schlechter aus als die rauschenden Feste vergangener Konzerttourneen- aber weil »The Artist« sich entschlossen hatte, recht wenig neuen Schnickschnack zu bringen und statt dessen einen Oldie-Abend mit alten Prince-Hits zu veranstalten, musste einen auch nicht das kalte Grausen packen.

Schon beim langatmig langen Vor-Konzert von Funk-Bassist Larry Graham hüpfte Prince plötzlich auf die Bühne und schrubbte bei zwei Stücken mit lässiger Session-Attitüde auf einer halbakustischen Gibsongitarre mit.

Und nach der Pause erschien der Star des Abends kurz beim Mischpult in der knapp halbvollen Schleyerhalle seinen Fans, um dann auf der lichttechnisch mit hunderten Scheinwerfern, Special Effects und Lasershow total überfrachteten Bühne in bekannter Manier von einer Ecke in die andere zu sprinten und auf der Gitarre den wilden Mann, den »rude boy« zu markieren.

Mit sechs Begleitmusikern - darunter auch die hierzulande bestens bekannte holländische Saxerin Candy Dulfer - bringt Prince nichts mehr und nichts weniger als ein etwas angestaubtes Hit-Programm.

Aber Titel wie »Let's work«, »Delirious«, ein mit Lichterwand-Sternenhimmel schön verkitschtes »Purple Rain« (als viertes Stück!) oder die Geschichte von der »Little Red Corvette« hört das Publikum - die meisten über 30 - anscheinend immer wieder gerne.

Zumal diese Dauerbrenner in Stuttgart ziemlich ähnlich wie auf den alten Platten klingen. »I Would Die For You« oder »I Could Never Take The Place,Of Your Man« sind im Vergleich zu den Originalen fast identisch arrangiert, »The Cross«, das jetzt »The Christ« heisst, klingt in seiner dynamischen Steigerung genauso packend wie auf »Sign 0 The Times«.

Zu solchen Bonbons gibt's noch jede Menge kollektive Groove-Marathons. Bei einem lässt Prince drei Dutzend Fans auf die Bühne kommen und veranstaltet einen »Tanzwettbewerb«. Die inzwischen recht matschig abgemischte Musik mit einem heruntergenudelten »Maze«-Cover und viel Theatralik klingt mehr als seltsam, scheint Techno und Konsorten stellenweise parodieren zu wollen, aber darin auf halber Strecke stecken zu bleiben. Aber das sind im Vergleich zu den Hits Momente, über die man weghört. (-mpg)

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In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...