Montag, 1. Dezember 1986

Uli Keuler: Schwäbische Alltags-Satiren

Gleich zwei Abende stand der in Reutlingen inzwischen bestens bekannte »Kleinkünstler« Uli Keuler auf der Kleinkunst-Bühne des Rappen. Beide Vorstellungen waren restlos ausverkauft; die Beliebtheit des Künstlers ist - zu Recht - groß.
Das Rezept des Schwaben ist gleich geblieben: Mit hinterlistigem und -sinnigem Humor, fast immer die Typen hoffnungslos überzeichnend, bekommen seine Landsleute einen (Zerr-)Spiegel vorgehalten: Die Vermieterin, die dem wohnungssuchenden Student den Kellerschlüssel (»Nein, das ist kein Schrank, das ist Ihre Wohnung«) überreicht; der Stumpfsinn der Radio-Wunschkonzerte (»Ich grüße den Hansi, den Waldi . . . und alle anderen, die hinter mir stehen«); der leicht größenwahnsinnige Mundartdichter (»Mein Leberkäs' im Fahrstuhl zur Ewigkeit«) — alles Figuren und Szenen, die stets voll aus dem (schwäbischen) Leben geschöpft sind.

Selten übt Keuler selber Kritik; vielmehr schlüpft er in verschiedene Rollen, deren oft absurd-skurrile Gedankengänge gleichzeitig zum Lachen und Nachdenken anregen. So lässt er einen Hausmeister vom Besuch des Ministerpräsidenten erzählen (»die Notausgänge bleiben zu, da ist frisch geputzt«), wo gegen Ende der Veranstaltung »noch kurz ein Behinderter integriert« wird und »zwei Reflektoren an den Rollstuhl« bekommt.
Geschickt werden im neuen Programm »große« Themen mit kleinen, ganz alltäglichen Idiotien gemischt; zum Beispiel das Gespräch eines Hobby-Psychologen mit seiner Freundin, die »die Verhaltensänderung des (brennenden) Papierkorbes nicht akzeptieren« will. Hinreißend auch die Nummer, in der ein frischgebackener Vater nervös seiner Frau erklärt, wie sie ihr Baby zu stillen hat: »Schatz, du hältst es zu tief!«
Vom reinen Nonsens (»An ihrem Auto brennt das Licht - den Rest hat die Feuerwehr schon gelöscht«) bis zu fast schon surrealistischen Szenen - etwa die, in der eine Frau von ihrem Mann erzählt, der sich von einer »Wunschfee« versehentlich in eine Griessklößchensuppe verwandeln ließ und jetzt »statt im Ascona im Sicomatic« sitzt -: Uli Keuler versteht es, auf intelligente Weise Unterhaltung mit Tiefgang vorzuführen.
Vergleichbar ist er am ehesten mit Mathias Richling, dessen direkte Schärfe und Angriffslust er allerdings nicht hat - meist bleibt dem Zuschauer selbst die Interpretation der Szenen überlassen. So erreicht er ein breites Publikum, das sich sowohl an der puren Wort- und Situationskomik wie auch an der oft herben Zurschaustellung menschlicher Verhaltensweisen erfreuen kann.
Besonders schön an dieser Art komischen Kabaretts ist der - anderswo ständig zu spürende - fehlende Zeigefinger. Wer den spritzigen Humor des Uli Keuler versäumt oder zu den Vorstellungen keinen Zutritt mehr bekommen hat, kann sich im Februar nächsten Jahres die Aufzeichnung anhören, die der SWF im »Rappen« mitgeschnitten hat.

Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 01. Dezember 1986

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