Donnerstag, 22. Juni 1989

Rabih Abou-Khalil Project: Musik-Begegnung

Am Dienstagabend spielte auf Einladung des »Jazz im Prinz Karl« der Libanese Rabih Abou-Khalil mit seiner Gruppe in der Tübinger Uni-Mensa in der Wilhelmstraße. Der in München lebende Künstler spielt das »Oud«, ein lautenähnlicher Vorläufer der heutigen Gitarre, der mit einem präparierten Federkiel gespielt wird. Das Instrument kam im 11. Jahrhundert über Andalusien nach Europa; der Ton ist hell, manchmal fast schon zirpend.
Nach Tübingen kam Abou-Khalil mit seinem »Project «; Bassist Glen Moore, der Inder Ramesh Shotham an verschiedenen Perkussionsinstrumenten sowie der Saxophonist Sonny Fortune sind sehr gut aufeinander eingespielt.
Insbesondere dann, wenn Fortune ein Melodiefragment des Libanesen aufnahm, um aus Unisono-Passagen heraus zu improvisieren, entwickelten sich musikalisch überaus spannende Dialoge von manchmal beeindruckender Intensität. Rabih Abou-Khalil betont immer wieder die frappierenden Ähnlichkeiten im musikalischen Denken von Jazzern und arabischen Musikern; tatsächlich verschmolzen in Fortunes intensivem Altsaxophon-Spiel die typischen Jazz-Elemente so sehr mit den arabischen, daß stellenweise völlig neue Klangkombinationen entstanden. Dem »arabischen Amerikaner« Sonny Fortune machte die Arbeit am Dienstagabend offensichtlich Spaß; seine Soli waren inspirierte Interpretationen der arabischen Melodien aus der Sicht eines Jazzmusikers.

Angekündigt waren eigentlich zwei Perkussionisten; daß Glen Velez, der auch Mitglied im Ensemble von Steve Reich ist, nicht mit nach Tübingen kam, tat der hervorragenden Rhythmussektion jedoch keinen Abbruch: Zusammen mit dem »Oregon«-Bassist Glen Moore trommelte Shotham über endlos wiederholte rhythmische Grundmuster äußerst virtuos und effektreich komplizierte Perkussionsfiguren.
Schließlich der Chef selbst: Außer einer makellosen Technik verfügt der studierte Musiker, der 1976 vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat in die Bundesrepublik flüchtete, über die Fähigkeit, musikalisch sehr strukturiert zu denken — ganz abgesehen davon, daß Rabih Abou-Khalil einer der wenigen Musiker ist, die es verstehen, selber durchs Programm zu führen. Vor den knapp 200 Besuchern in der Uni-Mensa tat der Oud-Spieler das mit viel Humor. Die Moderationen waren sozusagen das verbale Sahnehäubchen auf diesem musikalischen Leckerbissen! (mpg)

500 von 5000

In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...