»Aus der Mitte entspringt ein Fluss«, die Geschichte der ungleichen Brüder Norman und Paul nach der autobiographischen Erzählung »A River Runs Trough It« von Norman Maclean, zeigt in wirklich atemberaubenden Bildern (»Oscar«-ausgezeichnete Kamera: Philippe Rousselot) die Naturschönheiten der gleichermaßen rauh-zerklüfteten wie lieblichen Bergwelt Montanas.
Alleine die tollen Wasseraufnahmen, im Gegenlicht flirrende Angelschnüre und Bilderbuch-Dämmerungen machen den 120-Minuen-Film sehenswert.
Selbst Kulturpessimisten, die wie Wim Wenders »keine schönen Bilder mehr wollen, weil die Werbung die schönen Bilder gepachtet hat« (O-Ton des Regisseurs in Cannes), dürften sich dem Zauber dieser Hommage an eine augenscheinlich auch heute noch ziemlich heile Welt nicht entziehen können.
Zwischen den Konstanten Landschaft und Elternhaus — Tom Skerrit wirkt als presbyterianischer Reverend ebenso sicher in sich ruhend, wie die Natur der Brüder immer wieder Halt gibt — zeigen Craig Sheffer als Norman und Brad Pitt in der Rolle des Paul sensible Psychospiele zwischen Kindern, Heranwachsenden und jungen Männern. Vor allem die Leistung von Nachwuchs-Leinwandspieler Pitt bleibt im Gedächtnis: Wie er den fliegenfischenden, saufenden und überhaupt ziemlich unsolide lebenden Journalisten Paul spielt, gibt der Filmfigur enorme Tiefe.
Beim Fliegenfischen am Fluss finden die Brüder, von dem es abwechselnd immer nur einem gut geht, zueinander. Im wirklichen Leben nicht: Norman, der Langweiler, studiert, wird Literaturprofessor in Chicago und heiratet die hübsche Emily (Jessie Bums). Paul, der schon als Kind für sämtliche Blödeleien und Streiche zu haben war, findet trotz seiner überaus positiven Lebenseinstellung keinen Halt. Bevor ihn seine eigene Leber endgültig erledigt hat, liegt er ermordet im Straßengraben. Und der Fluss fließt weiter.
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 01. Juni 1993