Montag, 21. März 1994

Thomas C. Breuer: Hippies im Tiefflug

Das sei »schon eine etwas andere« Lesung, witzelte Thomas C. Breuer in Reutlingens Stadtbibliothek: Die Grenze zwischen Literaturveranstaltung und Kabarett (»da wasch' ich mir immer die Haare«) sei nicht eindeutig definiert.

Thema jedenfalls war das neue Buch des Heidelbergers und ehemaligen Tübingers, "Küß mich Käfer". Rund zwei Dutzend Besucher hörten Breuer, seinen Mit-Leser Jean Michel Weber und den drei Musikern der Villinger Bluegrass-Gruppe »Hills Angels« zu.

In »Küß mich Käfer« verbindet Breuer mit der ihm eigenen Ironie und viel Geschick für Verschachtelungen einzelne Geschichten zu einer ganzen: Von seiner Kindheit und Jugend, von seiner Sehnsucht nach dem unbekannt-schwammigen »Westen«, erzählt ein Strang. So einem, der »Vertrautheit nur in der Fremde» finden kann, war der VW-Käfer - in der Reutlinger Stadtbibliothek als Miniaturausgabe dabei - ein idealer Kumpel.

Die »Hippies im Tiefflug« (Breuer über bewegte Jahre mit dem Käfer) gab's auch in den USA - und der Schriftsteller suchte und fand auf einer knapp 60tägigen Reise durch die USA 1993 Käferfans und berichtet von ihnen. Die Geschichte des Reiseberichts bilden die andere Story in »Küß mich Käfer«, allgemeine Lobgesänge und Technik-Details auf das legendäre Auto einen dritten Strang.

Breuer hatte sich mit Weber offenbar nicht sonderlich gut über die Verteilung der Lese-Rollen abgesprochen: Beide fielen sich ständig ins Wort. Auch sonst war Breuer diesmal nicht sonderlich gut drauf. Viele seiner Witzeleien hatten einen ebenso langen Bart wie die sattsam bekannte Geschichte von »den neuen VW-Modellen Astra, Corsa und Omega«…

Eine etwas andere Lesung, da hat Breuer schon recht, war es trotzdem - und sei's nur, weil die »Hills Angels« sich zwischendrin immer wieder als echte Bluegrass-Experten zeigten.

Autor: Martin Gerner

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