Montag, 5. September 1994

Trochtelfinger Festival am See '94: BAP bestens aufgelegt

»Wer zum Teufel ist Axl Rose?« flachste ein bestens aufgelegter Wolfgang Niedecken, »wir haben Axel Büchel.« Widerspruch kam unter den rund 3 300 Fans nach dem Pianospiel von BAP-Keyboarder »Effendi« zu »Jraduss« kaum auf. Die Kölner Dialektrocker feierten mit ihren restlos begeisterten Zuhörern beim »12. Trochtelfinger Festival am Lauchertsee« eine drei Stunden lange Party - und zeigten sich musikalisch von ihrer besten Seite.

Da waren Niedecken und Co. nicht die einzigen: Schon ganz zu Anfang brachte der Reutlinger Rock-Fünfer »Suabian Kick« das Kunststück fertig, die 400 früh Gekommenen mit zündenden Songs auf Touren zu bringen. Frank Höwner, Alex Hess, Markus Vatter, Kalle Knapp und Ingo Noe fühlten sich prima und spielten dementsprechend - mit viel Kraft nach vorne, kompakt und ansprechend. »Alte Liebe« und eine geschickt ausbalancierte Cover-Version von John Lennons »Imagine« seien hier nur stellvertretend für viele Songs genannt, die zusammen ein rundes Programm bildeten.

»Suabian Kick«-Keyboarder Ingo Noe brachte das Bandgefühl im Gespräch nach dem Konzert auf den Punkt: »Uns kam's vor, als hätten wir das große Los gezogen. Als wir mittags ins Zelt kamen und diese riesige Bühne sahen, blieb uns die Spucke weg. Und dann dieser Auftritt.« Noe und seine Bandkumpels genossen nicht nur ihr eigenes Konzert sichtlich, sondern waren den ganzen Abend lang aufmerksame Zuhörer.

»Der ist einfach klasse«, lautete das Fazit der »Suabian Kick«-Musiker, als der Kirchheimer Gitarrist Werner Dannemann und seine »Friends« als erste Zugabe ihres mitreissenden Bluesrock-Sets Bob Dylans »All Along The Watchtower« interpretierten. Das sahen auch die Festivalgäste so: Die Musiker der Extraklasse lieferten ein ungemein kraftvolles, schnelles und sehr kompaktes Konzert voller Blues-Emotionen ab - und das Publikum reagierte mit dementsprechend viel Applaus.
Neben Dannemann standen Basser Achim Bosch, Ausnahme-Drummer Bodo Schopf und Andre Schnisa an der (fast museumsreifen) Original-Hammondorgel auf der Bühne, trieben sich gegenseitig zu Höchstleistungen an und berauschten sich am eigenen Spiel.

»War okay«, meinte Dannemann nach dem Auftritt, »wir haben vom Publikum viel Gefühl zurückbekommen.«

Auch das BAP-Personal lobte die Rockfans am Lauchertsee: »Ihr könnt ja wirklich Kölsch, das klingt auch nicht anders wie bei uns zu Hause«, rief Niedecken - sichtlich verdutzt - nach dem x-ten Publikumschor in die jubelnde Menge.

Dass BAP locker und trotzdem perfekt ein »Best of«-Programm (von »Schöne Jroos« über »Wenn et Bedde sich lohne däät«, »Anna« und »Frau ich freu' mich« bis hin zum »Waschsalon«) samt nicht ganz so frenetisch von den Fans aufgenommenem »Pik Sibbe«-Material spielte, lag mit daran, daß das Konzert das vorletzte der aktuellen, langen Tour war.



Aber mit Sicherheit auch an der besonderen, offenen Atmosphäre dieses Musikfests am Mägerkinger See und dem freundlichen, begeisterungsfähigen Publikum: Die Musiker strahlten des öfteren wie Honigkuchenpferde, wuchsen - auch im Vergleich zum Balinger Konzert vor wenigen Wochen - über sich hinaus. Und in einem »Unplugged«-Zwischenspiel (unter anderem »Anna«) - brachten die Kölner ein ganz besonderes Gefühl über die Bühne. »Das nächste Mal spielen wir so in der Trochtelfinger Fussgängerzone«, versprach Niedecken lachend.   (mpg)

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In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...