Die Musik am ersten Abend des »13. Trochtelfinger Festivals« passte zum Wetter: Das traditionsreiche Musikfest am Mägerkinger See begann mit meist lauter, nicht sehr dynamischer Gitarren-Tristesse vorwiegend im 80er-Stil — und die erstaunlich wenigen Besucher froren ausserhalb des beheizten Zelts wie schon lange nicht mehr.
Woran liegt's, dass zum Eröffnungskonzert der Reutlinger Lokalmatadoren »Orang B.« nur knapp 300 Leute kamen und das 4 000er-Zelt auch später bei der »New Model Army« noch nicht einmal zur Hälfte gefüllt war? Das schlechte Wetter war sicher ein wichtiger Faktor. Ein anderer ist, dass den Fans heute das Geld längst nicht mehr so locker wie vor ein paar Jahren sitzt: Alle 96er-Festivals hatten, mit Ausnahme des Balinger Open-airs, unter kräftigem Besucherschwund zu leiden.
Beim Trochtelfinger Eröffnungsflop mag aber jetzt auch die einseitige Programmausrichtung eine Rolle gespielt haben: Bei der vorwiegend harmonisch wie inhaltlich depressiven, nicht sehr abwechslungsreichen und zudem noch ziemlich laut verstärkten Musik kam eigentlich nur eine ganz begrenzte Pop-Klientel auf ihre Kosten. Von der bunten Musik-Vielfalt vergangener Festivals war nichts mehr zu ahnen.
Am spannendsten klangen da fast noch die Jungs von »Orang B.«: Henrik Borowitz und Co. setzen innerhalb eines härteren Rock-Rahmens auf dynamische wie harmolische Kontraste. Reaktionen seitens des Publikums auf die gute Show der Reutlinger waren allerdings nur schwach.
Auch das Stuttgarter Septett »Coalminer's Beat« hatte nicht das frenetisch jubelnde Trochtelfinger Publikum vergangener Jahre: Nur in den ersten Reihen gingen ein paar Fans zu dreckig verzerrten Gitarren- und Geigenklängen mit. Die Musik war wesentlich langweiliger angelegt als die der ersten Band — der krachige Brei bot nur selten Abwechslung.
Nach knapp 40 Minuten brachen die Musiker ab: Sie hätten ein Zeichen bekommen, aufzuhören, meinte Sänger Gregor Schmidt mit beleidigtem Ton und ausserdem sei Oliver Fricks Geige kaputt. Lediglich eine Saite (die man wieder hätte aufziehen können) war gerissen — und Festival-Chef Eberhard Hack meinte: »Die haben mich missverstanden und hätten schon noch ein bisschen weitermachen können«.
Nach einer zweiten, wieder extrem kurzen Umbaupause ging's mit den britischen Trauer- und Wut-Spezialisten der »New Model Army« weiter. Justin Sullivan, der Sänger und Gitarrist, Drummer Robert Heaton und Bassist Nelson waren einige Zeit in der Versenkung verschwunden. Beim Seefestival präsentierten sich mit dem Gitarristen Dave Blomberg als perfekt aufeinander eingespielte Gruppe, die ihre Songs — die Neuen klingen wie die Alten - ohne Firlefanz direkt und kompakt an die Fans brachte.
Auch hier waren die Reaktionen anfangs im Vergleich zum Gewohnten nur sehr verhalten. Kann es sein, daß von den schwarzgekleideten 80er-Grufties, die an sich und der Welt schwer (und gerne öffentlich) litten, im Zeitalter von Crossover, HipHop und Rave nicht mehr allzu-viele übriggeblieben sind? (mpg)
500 von 5000
In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...
-
»Wer zum Teufel ist Axl Rose?« flachste ein bestens aufgelegter Wolfgang Niedecken, »wir haben Axel Büchel.« Widerspruch kam unter den rund ...
-
Eine Parodie des Clownseins, der Besuch einer Freundin, eine hinreißend komische Einrad-Nummer und noch einiges mehr bot der Clown Georgo Pe...
-
So ausdauernd waren die Tübinger Brasil-Fans schon lange nicht mehr: Bei der Afro-Brasil-Party war das »Foyer« selbst nachts um vier auf all...