Montag, 2. September 1996

Trochtelfinger Festival am See '96: Schwoißfuaß räumten ab

Erklärte Publikumslieblinge waren beim »13. Trochtelfinger Festival am Mägerkinger See« nicht die kanadische Rock-Röhre Alannah Myles, »New Model Army« oder die Schotten von »Runrig«. Die großen Überflieger des Musikfestivals am Mägerkinger Lauchert-See waren diesmal nicht internationale Größen, sondern sozusagen die »Paule Popschtars« von nebenan: Erst »Schwoißfuass« zogen die Massen in gewohnter Stärke auf die Alb.

3 300 Fans feierten mit Alex Köberlein, Didi Holzner, Riedel Digel, Andre Schnisa, Michel Stoll, Andreas »Gottlob« Schmid und Bodo Schopf eine zweieinhalbstündige Party.

Aber auch der Abschlusstag ließ sich gemessen an den bunten, rauschenden Musiknächten vergangener Festivalausgaben — nur sehr zäh an. Bei Beginn waren wieder kaum 300 im Zelt. Und davor und auf der Zelt-Wiese beim Lauchertsee war wenig von dem lässigen Trubel von anno dazumal zu spüren.
Immerhin wurden die wenigen, die früh gekommen waren, mit ausgezeichnetem Bluesrock der Riedlinger Band »Norma's Country Store« belohnt. Und zeigten sich nach anfänglichem Zögern vergleichsweise ausgelassen. Hinter der Bühne bekam »Norma's Country Store« von einigen aus dem Festival-Team den Titel der »am meisten bejubelten ersten Band aller Trochtelfinger Musik-Abende« verliehen.

Wer sich beim Balinger Open-air über die lasche Vorstellung der drei texanischen Rauschebärte von »ZZ Top« geärgert hatte, für den wäre die Trochtelfinger Vorstellung des Riedlinger Trios genau das Richtige gewesen. Die drei zelebrierten geradezu US-Südstaaten-Rock und Blues — und das auf eine gekonnte, absolut ansprechende Weise. Sehr sparsam, aber ungemein effizient und technisch versiert spielten die drei von »Norma's Country Store« — und hatten spätestens bei »Crossroads« die Bluesrock-Fans auf ihrer Seite. Und als der bekannte Kirchheimer Bluesgitarrero Werner Dannemann — im letzten Jahr gab er beim Seefestival mit seinen »Friends« ein mitreißendes Konzert — beim »Mojo Boogie« und einem anschließenden Hendrix-Cover mit einstieg, waren gar Begeisterungsrufe zu hören.

Gerd Köster, der Kölner Musikbarde, ließ es danach ruhiger angehen. Der ehemalige Frontmann der »Schröder Roadshow« und von »The Piano Has Been Drinking« kam mit einer luftigen, weitgehend »akustisch« klingenden Trio-Besetzung auf die Bühne. Und riß zumindest die Deutschrock-Fans der ersten Stunde mit seinen manchmal prall lebensfrohen, oft schwer nachdenklich machenden »Liedern und Geschichten in Tiefkölsch und Hochdeutsch« mit.

Was man von Alannah Myles nicht sagen kann. Nur bei ihrem (einzigen) Hit »Black Velvet« kam so richtig Bewegung ins Publikum. Ansonsten verbreiteten die Kanadierin und ihre Band klassischen Mainstream-Rock der gesichtslosen und damit letztendlich stocklangweiligen Art. Wenn die Klasse fehlt, nützt auch Masse nichts: Myles, die wohl mitbekommen hatte, daß nicht sie, sondern eine regionale Band der Headliner war und deswegen ungefragt eine Viertelstunde überzog — hatte den Status einer Vorgruppe. Abgehakt.



In der Pause kam nochmal ein kräftiger Schwung ins Zelt, die Spannung vor der Bühne steigerte sich spürbar. Und dann ging's Schlag auf Schlag: Von »Paule Popstar« über den »täglichen Wahn«, vom neuen »Dr Sulla leabt no« bis zu den »Fremden Zigaretten« und dem »Juze Donauriad« spielten »Schwoißfuaß« ein gefeiertes, zweieinhalbstündiges Hitprogramm. Besonders bei »Oinr isch emmr dr Arsch« und dem begeisternden Solo Riedels in »Room To Move« kannte der Jubel kaum Grenzen. Wie gesagt: Die großen Stars des »13. Trochtelfinger Festivals waren die Schwobarocker auf ihrer »ReTour«. (mpg)

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In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...