»Ich hab' meine Traumband schon gefunden«, sagt der Ausnahmetrompeter Claus Stötter, 35, beim Interview mit dem Tonspion. »Einfach, weil's wirklich eine richtige Band ist und keine Schnellschuß-Geschichte.«
Claus Stötters Band heißt "Nevertheless" und macht spannenden Jazz wie kaum eine andere süddeutsche Formation. Wer Dizzy Krisch, Matthias Erlewein, Yves Torchinsky und Francois Laizeau schon mal mit dem perfekten Trompeten-Techniker Stötter gehört hat — zum Beispiel bei dem hervorragenden Open-air-Konzert kürzlich vorm Tübinger »Depot« —, versteht den Spruch von der »Traumband«.
Zur Musik ist der Landes-Jazzpreisträger von 1990 und heutige Dozent an der Stuttgarter Musikhochschule übers Spiel in der Blaskapelle gekommen — zu Hause, in Bötigheim bei Heilbronn.
»Musikschulen gab's damals noch nicht. Eigentlich wollte ich ja Sax lernen. Das Spiel in der Blaskapelle war letztendlich für das Überleben als Berufsmusiker sehr wichtig: Man spielt von Anfang an mit anderen Leuten zusammen und lernt ganz früh Noten lesen. Für mich bedeutet das, daß ich heute in jede Situation hineingeschmissen werden und immer vom Blatt spielen kann.«
In die Region hat es ihn, der sechs Jahre lang an der Stuttgarter Musikhochschule klassische Trompete studierte, der Liebe wegen vor zwölf Jahren verschlagen. Und von 1990 bis 1995 war Claus Stötter Mitglied des vielbeachteten französischen »Orchestre National De Jazz«. »Diesen Job hab' ich gekriegt, weil ich mal mit Denis Badault gejammt habe und es da zwischen uns sofort gefunkt hat. Als der dann zum Leiter der Bigband berufen wurde, wollte er mich dabeihaben.«
In Paris ist Stötter aber hauptsächlich wegen seiner 12jährigen Tochter nicht geblieben, »mir war das Leben dort auch zu stressig, und ich wollte wieder mit kleineren Bands spielen«.
So lebt er jetzt - den Jazzkeller sozusagen vorm Wohnzimmerfenster - wieder in Tübingen, und hat das Glück, seine Brötchen »im wesentlichen mit Spielen« verdienen zu können.
Auch sonst macht der Musiker einen ausgeglichenen und zufriedenen Eindruck: »Ich konnte im Jazz immer meiner eigenen Lust nachgehen, immer zuallererst für mich selbst spielen. Ein klassischer Musiker hätt' ich nie werden können, es ist nicht mein Ding, etwas auf den Millimeter genau so auszuführen, wie es geplant ist.«
Dem Nachwuchs gibt Stötter die Ratschläge: »Vielseitig sein, sein Instrument möglichst gut und stilistisch weitgefächert beherrschen, perfekt Noten lesen.« Und noch was ist ganz wichtig: »Man hat schon dann gewonnen, wenn man sich nicht sagt: Ich bin untalentiert, sondern »Ich brauche halt länger als die anderen«.(mpg)
Sonntag, 15. September 1996
Claus Stötter: "Ich spiele in allererster Linie für mich"
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