Experimente am Geburtstag? Nein Danke! Nette Überraschungen der Gäste nimmt man aber erfreut und dankend entgegen. Genauso war's auch beim Festabend zum 20jährigen des Stuttgarter/Heidelberger Jazz-Plattenlabels »mood« im restlos ausverkauften Wangener »Theaterhaus«: Neues oder gar Zukunftsweisendes gab es bei dem über vierstündigen Jubiläumskonzert kaum zu hören, aber die zahlreichen Gäste auf der Bühne verblüfften doch mit teilweise ungewöhnlichen Ideen.
Das verquere Zusammenspiel der bayerischen Musik-Satiriker der »Biermösl Blos'n« zusammen mit dem kompletten »United Jazz & Rock Ensemble« ganz zum Schluß empfanden sicher auch die begeisterten Zuhörer als Höhepunkt. Aber auch schon ganz zu Beginn zeigte das erste »mood«-Ensemble in letzter Zeit kaum gehörte Power: Das mag am — wieder mal schier unglaublich vielschichtigen, gnadenlos dichten Power-Drumming von Jon Hiseman gelegen haben. Seine Frau, Saxophonistin Barbara Thompson, hat aber anscheinend auch neue Kraft geschöpft, und Wolfgang Dauner schaute hinter seiner
Flügel/Synthesizer-Kombination auch schon mal gelangweilter und unkonzentrierter drein als am Samstag. Schmunzelnder Kommentar von »Theaterhaus«-Chef und »mood«-Mit-Eigner Werner Schretzmeier: »Jaja, zusammen kriegen sie's noch hin . . .«
Übertroffen wurde der donnernde Beifall für das »UJ & RE« — dessen Gründer ja auch weitgehend identisch sind mit denen, die hinter »mood« stehen — eigentlich nur noch vom Jubel um Charlie Mariano. Dieser jung wirkende »große alte Mann« des Saxophons hat auch in Stuttgart wieder alle begeistert — daheimgebliebene Reutlinger dürfen sich also auf das jetzt kommende Club-Gastspiel von Charlie und Co. im »Maximilian« freuen.
Den Berichterstatter hat — auch wieder mal — ganz besonders das gut zehnminütige, hochkonzentrierte und musikalisch wunderbar ausgewogene Solo von Albert Mangelsdorff begeistert. Gerade im Kontrast zu dem »Gib's ihm«-Jazzrock, den er und seine Kumpels vom »UJ & RE« vorher entfesselt hatten, beeindruckte die schöne, ausdrucksstarke Schlichtheit seines Spiels umso mehr.
Zurückgenommen, aber hoch virtuos musizierten danach Jörg Reiter (Piano) und Ack van Rooyen miteinander. Die grosse Kunst van Rooyens drängt sich nicht auf aber wenn er »mal eben« ganz piano einen rasend schnellen, harmonisch nicht einfachen Lauf auf seinem Flügelhorn mit warmem Ton bläst, dann wird klar, daß auch er einer der besten Jazz-Instrumentalisten Europas ist.
Schräg, überraschend groovig und schlichtweg gut das »Modern String Quartett« mit einer Gratwanderung zwischen strenger Barock-Form und den wilden Ideen eines Thelonious Monk oder Coltrane, genauso schräg und gut, wie sie sich auch bei den vielen Auftritten (unter anderem zusammen mit Gerhard Polt) in der Region zeigten, die »Biermösl«-Brüder. Das Geburtstagsfest gelang also — und die Gäste gingen hochzufrieden (und jeder mit einem »mood«-CD-Sampler beschenkt) nach Hause. (-mpg)
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