Wir geben's zu, die Geschichte des »Bang Your Head«-Heavy-Festivals ist eine pure Erfolgsstory. Vor sechs Jahren als Insider-Veranstaltung in der Hartmann-Halle in Tübingen-Hirschau gestartet, ist die Veranstaltung des Rottenburger »Heavy, oder was!?«-Fachmagazins zum zweitgrössten Metal-Festival Deutschlands gewachsen.
Auch dieses Jahr strömten die Fans wieder aus ganz Deutschland und darüber hinaus nach Balingen - die Massen, auch wenn insgesamt wohl etwas weniger als 2001 kamen, waren wieder nur in Tausender-Einheiten zu zählen. Lange Haare und schwarze Klamotten der überwiegende Einheitslook im Publikum - das Programm war mit Saxon und Slayer als Hauptgruppen am Freitag und Sonntag musikalisch überwiegend konservativ geprägt: Gerade recht, um die alten Kutten wieder aus der Mottenkiste zu holen.
Die - geschätzt - rund 25 000 Fans feierten wieder (das war bisher bei allen Balinger »Bang Your Head«-Ausgaben so) ein zwar ohrenbetäubend lautes und aus Sicht des Pop-Normalverbrauchers auch musikalisch ziemlich wüstes Fest - aber halt auch ein friedliches. Auch wenn natürlich wieder viel zu viele kräftig über den Durst getrunken hatten, gab es doch beim »BYH 2002« weniger alkoholbedingte Totalausfälle als im Jahr zuvor: Das mässig sommerliche Wetter war geradezu ideal für so ein Festival.
Das »Billing« - szene-neudeutsch für die Liste der auftretenden Künstler und Bands - ging dieses Jahr noch mehr drunter und drüber als gewohnt. Das war nicht unbedingt immer ein Anlass zur Trauer: Die Schweizer von Shakra, die als Ersatz für die Speed-Metaller von Paradox am frühen Samstagmittag auftraten, wären mit Sicherheit auch im Abendprogramm ihren Anteil am Eintrittsgeld (das war vergleichsweise massvoll) wert gewesen und die »deutsche Metal-Queen« Doro, als Ersatz für Magnum eingesprungen, hatte (wieder) keinerlei Probleme, die Fans mit ihrem doch eher kitschigen Sound zu begeistern.
Stichwort »alte Bekannte«: Die Haudrauf-Musiker von Jag Panzer waren wieder mit von der Partie und zeigten unmissverständlicher als 2001, dass sie mit filigranem Heavygitarrengejubel wirklich gar nichts am Hut haben. Iron Savior, ebenfalls schon in der Vergangenheit mit dabei, lieferten am Samstag um die Mittagszeit eine gute Show ab, und die alten Recken von Bonfire um Claus Lessmann (wieder eine »Ersatzband«, diesmal für Symphony X) klangen für viele überraschend gut: Für uns nichts Neues, wir haben sie schon bei ihrem 2000er-Auftritt in Reutlingen und danach in der Region gehört und für gut befunden. Auch in Balingen kümmerten sich die Bonfire-Routiniers wieder geradezu liebevoll darum, ihre Fans in Stimmung zu bringen. Den Preis für den besten Kontakt zum Publikum müssen sie sich mit Gamma Ray teilen.
Als stumme Fische und uninteressiert-gelangweilt präsentierten sich die mit Spannung erwarteten Halford. Nightwish zeigten sich vor den britischen Metal-Opas von Saxon als musikalisch anspruchsvollste Band des gesamten Festivals: Die finnische Band verband höchst komplexe Arrangements mit derbem Ausdruck - so was gab's auf den »Bang Your Head«-Festivals noch nicht oft zu hören.
Die Cover-Band Fozzy, die alte Metal-Hits aus den 80ern gut nachspielte, darf, wenn's nach den Fans geht, ebenfalls wiederkommen. Die beiden Headliner des diesjährigen »BYH«, Saxon und Slayer, wurden zwar von den vielen Fans, die letztendlich nur ihretwegen gekommen waren, mit viel Vorschuss-Jubel empfangen - wer aber die anhaltend frenetische Stimmung bei vergangenen Festival-Hauptkonzerten miterlebt hat, weiss, das diesmal bei beiden Altstar-Bands der Szene die Luft ein wenig raus war. Saxon, einst Aushängeschild des British Metal, hielt sich wacker und kam mit einem Hit-Programm über die Runden.
Und Slayer, die US-Paradiesvögel mit der wilden Show? Die Songs, in Balingen ein wohl nach den Verkaufszahlen ausgewähltes Hitprogramm, klangen glanzlos und heruntergespult, in ihrem Bühnen-Habitus wirkten die vier öfters so, als ob sie sich selbst parodieren wollten - kein Vergleich (wenn der überhaupt erlaubt ist) beispielsweise mit der packenden Show, die »Motörhead« 2000 in Balingen ablieferte.
Insgesamt konnten die Fans aber wieder mit dem Schwermetall-Paket zufrieden sein - die Veranstalter waren's auch, grössere Zwischenfälle sind uns nicht bekannt geworden. Das »Bang Your Head 2003« kann kommen. (mpg)
Montag, 1. Juli 2002
Bang Your Head Balingen 2002: Schwermetaller unter sich
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