An Jazzrock oder auch an die zuweilen etwas süßlichen Balladen ihrer ersten beiden Langspielplatten erinnerte kaum eines der Stücke ihrer neuen Platte »Laß mich fallen wie Schnee«, die sie am Sonntag vor einer mit 250 Leuten nicht einmal halb besetzten Halle präsentierte. Produziert wurde das Werk von Tato Gomez, der auch bei »Purple Schulz« die Finger im Spiel hat.
Diese Verwandtschaft war auch im Konzert akustisch festzustellen — nicht nur deshalb, weil die Band »Kleine Seen« von eben »Purple Schulz« nachspielte. Herrschten auf der ersten »Rock«-LP, die vom ewigen Geheimtip Edo Zanki produziert wurde, die leisen Töne, musikalische Verspieltheit und Finesse vor, sind die neuen Nummern oft sehr schnell und hart, im Sound amerikanisch-kommerziell.
Gerade diese schnellen Stücke aber scheinen Anne Haigis nicht so sehr zu liegen, sie rutschte in der Listhalle bei den fetzigen Songs in gepreßte, angestrengt wirkende Töne ab. Das Stimmvolumen der Sängerin und die vielseitge Phrasierung der Melodien kamen erst bei den langsameren Stücken richtig zur Geltung.
Leider gehen auch die Texte manchmal nur knapp am Herz-Schmerz-Schema vorbei. Da war es schon ganz gut, daß die schlechte Akustik der Listhalle wieder einmal ein Erkennen der Texte nicht zuließ. Singt sie allerdings Texte wie in »I bin a Kind«, das »Schwoißfuaß«-Macher Alex Köberlein für sie geschrieben hat, dann interpretiert sie so engagiert. daß man ihr jedes Wort glaubt.
Es ist ein großes Verdienst der Sängerin und ihrer sehr guten Begleitband, daß aus dem mittelmäßigen Songmaterial ein befriedigendes Konzert wurde. Bassist Benjamin Hüllenkremer, der schon bei »Interzone« und Manfred Maurenbrecher spielte, zeigte bei seinem Solo atemheraubend schnelle und dennoch virtuose Läufe. Auch Keyboarderin Mandy van Baaren mit ihrem Solostück überraschte, sie stand Anne Haigis kaum nach.
Das Publikum in der bestuhlten und halbleeren Halle war anfangs sehr reserviert, honorierte dann aber doch die Leistungen der Musiker durch minutenlange Zugabeforderungen. Denen wurde ausgiebig nachgegeben, was die Auftrittsdauer um eine dreiviertel Stunde verlängerte. (mpg)