In einem schlichten schwarzen Overall kommt sie auf die spartanische Bühne: Sessel, Cassettenrecorder, Bandoneon und eine Papptonne als Trommel sind die wenigen Requisiten, die die Schweizer Schauspielerin Mo Keist für ihr Programm »Brecht — von uns bis Afrika« benötigt.
In ihrem ersten Soloprogramm verwendet Mo Keist Bertolt Brechts Kinderbuch »Die drei Soldaten« als Rahmen für eine knapp einstündige Vorstellung, in der — neben den 1930/31 geschriebenen »Soldaten« — afrikanische Lyrik und Musik rezitiert wird.
»Denn sie hatten beschlossen, jetzt alle zu erschießen / Die sich etwas gefallen ließen / Und es gab viele, die nicht zu mucksen wagten / Und zu allem Ja und Amen sagten / Und die mussten eben alle erschossen werden / Damit man sich endlich auskannte auf Erden.«
Die drei Soldaten, die Hunger, Unfall und Husten genannt werden, ziehen durch das Land und bestrafen all jene Unterdrückten, die sich die Repressionen gefallen lassen. Brecht hat diese sozialkritische Geschichte vor über 50 Jahren geschrieben; Mo Keist erzählt sie gleichsam kommentarlos, ihre Mimik und die Gesten sind äußerst sparsam gehalten.
Zwischen den einzelnen Abschnitten immer wieder kurze Perkussionsfetzen vom Tonband, die Stimme der Schauspielerin vermischt sich mit dem dumpfen Geblubber der Talking Drums, einem in Tonhöhe und Klangfarbe stark variablen Schlaginstrument afrikanischer Herkunft.
»Dass die drei Soldaten so ein Urteil fällen / Das kann man sich vorstellen: Wer solche Gerichte über sich duldet / Der ist eben schuld. Denn er schuldet es der Gerechtigkeit / Dass er sie von solchen Gerichten befreit.«
Bilder aus dem Fernsehen kommen einem in den Sinn, erhitzte Gesichter von weißen Südafrikanern, die ihre inhumane Apartheid-Politik verteidigen. Der sich auf unsere Verhältnisse beziehende Zynismus (oder ist das Realismus?) Brechts »Leider (man muss da wieder scharf denken) braucht man das Elend, um die Löhne zu senken« wird angesichts der Südafrika-Politik gewisser deutscher (und anderer) Firmen und Banken brandaktuell nicht nur die Zeit ist eine andere, auch der ursprünglich soziale und geographische Bezug wird verändert.
Mo Keist zeigte im »Rappen« auf einfühlsame Weise, dass Brechts Gedichte nichts von ihrer Schärfe in der Beobachtung verloren haben. Der »afrikanische« Teil der »Performance« (dieser — leider unübersetzbare — Begriff scheint am ehesten auf den Abend zuzutreffen) wirkt allerdings seltsam blutleer; die instrumentalen Fähigkeiten und der »Tanz« der Künstlerin fallen im Vergleich zu dem, was man — gerade in letzter Zeit — in dieser Richtung bewundern konnte (etwa den Chor »Ladysmith Black Mambazo« oder den Trompeter Hugh Masakela) stark ab; das ist alles sehr »europäisch« und etwas steif.
Trotzdem war's für die wenigen Besucher (Veranstalter Volker Sachs: »Die 68er gucken sich jetzt wohl den >Komödienstadel< an«) mit Sicherheit ein schöner Abend.
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 09. November 1987
500 von 5000
In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...
-
Eine neuerliche Auflage des gerade zu Ende gegangenen Festivals am Lauchert-See ist für den Trochtelfinger Verein für Kulturarbeit keine Fra...
-
Eine Parodie des Clownseins, der Besuch einer Freundin, eine hinreißend komische Einrad-Nummer und noch einiges mehr bot der Clown Georgo Pe...
-
Was haben wir nicht schon für tolle Konzerte auf den Tübinger Viva AfroBrasil-Festivals auf dem Marktplatz erleben dürfen: Unvergessen sind ...