Samstag, 11. März 1989

Haindling: Seltsame Musik aus Bayern

Als vor sieben Jahren eine Platte mit dem Titel »Haindling I« auf den Tischen der Rundfunkredakteure landete, hätte sich kaum einer gedacht, daß diese überaus seltsam klingende Musik sich länger als ein netter Gag behaupten, geschweige denn Erfolg in den Hitparaden haben würde. Die erste Langspielplatte des gelernten Töpfermeisters und Multiinstrumentalisten Hans Jürgen Buchner enthielt eine komische Mischung aus Blasmusik, kindlich anmutenden Texten, Stolperrhythmen und Elektronik — nicht gerade der sichere Weg zur Nr. 1. Immerhin wurde die Single »Guten Morgen« frühmorgens im Radio gespielt.
Mit seiner zweiten Platte, »Stilles Potpourri«, gelang »Haindling«, der seine Gruppe nach seinem Heimatdorf in der Nähe von Regensburg genannt hat, ein beachtlicher Erfolg; die Single »Lang scho nimmer gsehn« war 1984 monatelang in den Charts. Ein Jahr später folgte »Spinn I« und 1986 stand als Produkt der 85er-Tour der Live-Mitschnitt »Meuterei« in den Regalen. Darauf dokumentiert ist auch eine recht seltsame Art von »Publikumsbeteiligung«: Buchner forderte die Konzertbesucher einfach auf, loszuhrüllen. »Das ist einfach ein Spiel, bei dem keiner genötigt und keiner verletzt wird. Dabei können die Leute so richtig aus sich herauskommen.«
»Höhlenmalerei«, 1987 erschienen, ist ein eher schwermütiges Album, in das Buchner seine Erfahrungen als Filmkomponist mit einfließen ließ.

Nicht nur die Musik, sondern auch die Produktionsweise ist bei »Haindling« ungewöhnlich. Im alten Gasthaus des Dorfs richtete der für seine Keramiken 1977 mit dem bayerischen Staatspreis Ausgezeichnete ein Heimstudio ein, in dem er bis auf wenige kleine Ausnahmen die Musik alleine aufs Mehrspurband bannt. Zwei Konzertflügel, verschiedene Synthesizer, Hörner, Saxophone, Xylophone und jede Menge anderes Gerät stehen im alten Tanzsaal herum und werden auch genutzt. Zwischen der Demo- und Plattenaufnahme gibt es kaum einen Unterschied — die künstlerische Kontrolle scheint gesichert.
Live ist das Soloprojekt »Haindling« eine in langen Jahren gewachsene Band: Michael Braun (Saxophon, Trompete, Horn, Posaune, Keyboards, Akkordeon und Gesang), Heinz-Josef Braun (Baß, Tuba, Synthesizer, Gesang), Rainer Kürvers (Keyboards, Horn und Gesang), Ronald Raschner (Keyboards, Gesang) und der Schlagzeuger Peter Enderlein sind auf eine Anzeige Buchners zusammengekommen und seitdem mit ihrem Chef die Live-Band »Haindling«.
Im vergangenen Herbst war Hans-Jürgen Buchner wieder im Studio, um Aufnahmen für eine neue Platte zu machen. »Muh«, so die neue »Haindling«-Platte, enthält 14 Titel, die in bewährter »Haindling«-Manier für Pop-Verhältnisse recht eigenwillig die verschiedensten Stile und musikalischen Zutaten bunt vermischt zeigen — und zwar so, daß man sofort erkennt, um welchen Künstler es sich da handelt. »Haindling« wirbt für die neue Platte natürlich mit einer Live-Tour: Am 20. März gastiert der Buchners Jürgen im Stuttgarter »Theaterhaus«.  (mpg)

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In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...