Gerhard Fehn verlässt Tübingen. Zuvor aber stellte der Schauspieler im Tübinger Zimmertheater seine Abschieds-Produktion vor; das Theater war bis auf den letzten Platz gefüllt. »DA-DA-Tü« heißt das Programm, in dem Fehn verschiedene Dada-Bewegte zu Wort kommen lässt.
Am Anfang stand das »Manifeste cannibale dada« des wohl aggressivsten und auch nihilistischsten Dada Mitglieds, Francis Picabia: »Dada riecht nicht, er ist nichts, nichts, nichts«, heißt es da, und dann werden viele Vergleiche mit Dingen gezogen, die der bürgerlichen Gesellschaft wichtig geworden sind und die »Dada« angriff.
Vom Züricher »Cabaret Voltaire«-Gründer und Dada-Galeristen Hugo Ball bekamen die Zuschauer in Tübingen »Cabaret« und »Karawane« zu hören: Balls Frau Emmy Ball-Hennings war mit ihrem »Gesang zur Dämmerung« genauso von Fehn berücksichtigt worden wie Elans Am, Walter Mehring und natürlich Kurt Schwitters mit der Zuneigung zu »Anna Blume«.
Auch das Bühnenbild lehnte Gerhard Fehn an Dada-Kunst an. Mit den Blechnäpfen, Rädern, Auspuffrohren und vielen anderen arrangierten Dingen erinnerte die Bühne an eine dreidimensionale Collage oder an eine Ansammlung verschiedener »Ready-mades«, wie sie Marcel Duchamp vielleicht gemacht hätte.
Die »Sinnlosigkeit«, die oft unvermuteten und nicht immer sofort erkennbaren Risse in der Logik, oder die von sich aus gänzlich ausdruckslosen dadaistischen Silbenkonstruktionen sind natürlich ein gefundenes Fressen für einen Schauspieler, der zeigen will, was er kann. Denn, wo die Texte nicht mehr selber die Mitteilung transportieren, ist es der Schauspieler, der durch seine Darstellung die Zuhörer reagieren lässt. Die waren im Zimmertheater bald völlig aus dem Häuschen; der Beifall am Ende und die energischen Zugabeforderungen klangen jedenfalls ziemlich begeistert.
Zur Begeisterung gab es auch wirklich allen Grund: Mit atemberaubendem Tempo und großem Temperament setzte Fehn die Vorlagen um; ob komisch, traurig, wütend oder fröhlich, Gerhard Fehn gab den 14 ausgewählten Dada-Stückchen ein äußerst lebendiges, witziges und keine Minute langweiliges Gesicht, das die Absurdität betonte.
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 27 Juni 1989
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