Sowohl Jeanne Lee als auch Peter Kowald gehörten in den sechziger Jahren zu den Pionieren des Free Jazz. Jeanne Lee singt seit 1961 und gehört seitdem zu den besten Sängerinnen des Jazz. Die Frau von Gunter Hampel, die vor acht Jahren zusammen mit Bobby McFerrin auf dem »Vocal Summit« des Südwestfunks ein spektakuläres Konzert gab, verzichtete auch im »Zentrum Zoo« auf Worte.
Ihre Art, sich mit der Stimme zu artikulieren, als »Scat«-Gesang abzutun, trifft die ungeheure Vielfalt in Jeanne Lees Phrasierung nicht. Vom tiefsten Grollen üher majestätische, an Gospel-Traditionen erinnernde Linien bis zur Erzeugung von Geräuschen, die sonst heutzutage aus dem Synthesizer kommen, von zarten, langgeschwungenen Melodiebögen bis zum perkussiven Stimmeinsatz reicht die Ausdruckspalette der Sängerin. Sie setzt ihr souveränes Können nie zum Selbstzweck ein, sondern hört extrem genau auf das, was ihre Mitmusiker machen, und ist stets in der Lage, spontan darauf zu reagieren.
Kowald, der seit den Anfangstagen des »Globe Unity Orchestra«, das er mit Alexander von Schlippenhach 1966 gründete, einer der berührendsten europäischen Avantgardisten ist, setzt die Ausdrucksvielfalt der Lee auf seinem Kontrabaß fort. Auch er war im »Zentrum Zoo« mehr an Klangmustern und ungewöhnlichen, breit gefächerten Bass-Tönen interessiert. Zusammen mit seinem Baß-Kollegen Klavs Hovmann gelangen ihm packende Duette, in denen Hovmann meistens den rhythmischen Part ühernahm, üher den Kowald dann frei und sehr expressiv spielte.
Nach der Pause spielten zuerst Kowald, dann Hovman solo: Diese Improvisationen, voller Zartheit und Kraft, waren für die »Zentrum-Zoo«-Besucher ein Erlebnis.
Zu erleben gab es auch das energiegeladene Schlagzeugspiel der zierlichen Marilyn Mazur. Die in New York geborene und in Dänemark lebende Schlagzeugerin wurde dem breiten Publikum vor fünf Jahren bekannt, als der Trompetengott Miles Davis sie in seine Band holte. Auch sie besitzt eine extrem weit gespannte Palette an perkussionistischen Klängen. Ihr Schlagzeugspiel ist unkonventionell: Ähnlich wie früher bei Tony Williams meint man den Beat ständig zu hören, auch wenn die 35jährige ihn überhaupt nicht spielt, sondern in ihren komplexen und filigranen Perkussionsmustern den Zuhörern Zeit läßt, den Grundrhythmus zu denken.
Marilyn Mazur swingt und groovt immer; ihre Perkussionseffekte — etwa gibt sie winzigen Becken einen sphärischen Klang, indem sie sie nach dem Anschlag an einer Schnur kreiseln läßt - setzten in der zweistündigen beeindruckenden Kollektivimprovisation Akzente.
Es gibt selten eine frei spielende Formation, in der so genau auf das gehört wird, was die anderen Musiker machen, und so intensiv zusammen musiziert wird. Das merkte auch das Publikum im »Zentrum Zoo«, das mit Beifall nicht geizte und Zugaben forderte. (mpg)