»Mama, wie macht der das?« — nicht nur der Steppke hätte nach der zweistündigen »Zauber Zauber«-Revue am Montagabend in der ausverkauften Reutlinger Listhalle zu gerne gewußt, wie die aufgetretenen Illusionskünstler es schafften, ihr Publikum unterhaltend und immer wieder verblüffend zu täuschen.
Eingeladen zu der vom Wiener Multimedia-Künstler Andre Heller inszenierten »Revue der Wunder« hatte die Diskothek »Black Mustang« in Zusammenarbeit mit »Radio Neufunkland«.
Das bunt gemischte Publikum kam aus dem Staunen und Wundem gar nicht mehr heraus. Völlig unerklärlich war beispielsweise, wie jener Magier mit dem klangvollen Namen Omar Pasha seine zwei Assistenten verschwinden und wieder auftauchen ließ. Einem hieb der Zauberer die im effektvollen Licht scharf blitzende Schwertklinge in den Hals — so fest, daß der Mann seinen Kopf im Arm hielt. Und so geschickt (wie?) getrickst, daß Kopf und Rumpf nachher wieder ohne Blessuren zusammenpaßten. Am Ende seines Programms löste sich Pasha buchstäblich in Luft auf: Er warf ein weißes Tuch über sich und war verschwunden…
Trat »Omar Pasha« in märchenhafter, geheimnisvoll anmutender Bühnenatmosphäre auf, so setzte der junge Mark Wessely in seiner Show mehr auf Horror-Elemente, Tempo, martialische Gestik und moderne Musik: Das elektrisch angetriebene übergroße Kreissägeblatt tönte gar entsetzlich schrill, als es zuerst zum Beweis seiner Echtheit Holzstäbe und später dann in mehreren Etappen die Assistentin des Illusionisten zersägte. Auch hier passierte der Dame, die selbst im waagerechten Schwebezustand eine gute Figur machte, überhaupt nichts.
Neben solchen »Großillusionen« gab's in der Listhalle von »Jacky Steel« und seiner Partnerin »Athene Radar« nicht ganz so spektakuläre, aber nicht minder verblüffende »Gedankenkunst« zu sehen. Mit verbundenen Augen riet die Dame Sachen von Zuschauern, die Mister Steel im Saal hochhielt. Geburtsdaten,
Vornamen oder Zahlen auf Kärtchen — Athene blieb fast nichts verborgen. Manchmal lag sie beim »Hellsehen« daneben — aber das steigerte eigentlich nur die Glaubwürdigkeit des Unheimlichen.
Frank Prents, ein dunkelhäutiger Zauberer aus den USA, machte die Zuschauer glauben, er hätte unendlich viele Spielkarten in Reserve. Immer mehr hielt er in den Händen, immer wieder verwandelte der Magier, der auch viel komisches Talent zeigte, bunte Tücher in weiße Tauben und umgekehrt.
Am meisten lachten die Besucher über »Jac'n'Jazz«, ein Duo aus England. Mehr Komiker als Illusionisten, trieben sie ihre Späße mit der Zauberkunst und den Erwartungen der Zuschauer. Bei »Jac'n'Jazz« schien kein Trick zu klappen: Immer mehr Fähnchen kamen aus dem Ärmel des Magiers, alle konnten deutlich die unterm Jackett durchgeführte Schnur sehen. Leider war die an die Hosenträger geknüpft, und so war plötzlich die Unterhose des Künstlers zu bewundern.
Viele verbale Späße des Duos blieben offenbar unverstanden, weil auf englisch gesprochen. Das sei gar kein Zaubermantel, den er da anhabe, meinte Jac, das sei »Mäggis Bussänhaltär«. Und während seines kurzen Aufenthalts in Reutlingen erkannte der Meister auch sofort die besonderen Qualitäten der Listhalle: »What a lovely garage for my RollsRoyce«, meinte er trocken.
Neben den phantasievollen Gewändern der Zauberer, dem dezenten und doch wirkungsvollen Bühnenbild von Georg Resetschnig und der meisterlichen Lichtgestaltung bleibt noch die Moderation des Schweizer Bauchredners Louis Marino zu loben: Dessen Handpuppe war ein freches Kerlchen, das dazwischenquatschte und ständig kritisch-philosophisch das eigene und seines Meisters Ich sowie die Zaubereien hinterfragte. Am Ende der Vorstellungen war selbst er davon überzeugt, daß es »Wunder« halt doch gibt. Das Publikum, das den Künstlern lange mit begeistertem Beifall dankte, war schon viel früher von der Magie verzaubert.
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 05. November 1990
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