Gal Costa hat seine Songs aufgenommen, Maria Bethania oder auch der beliebteste aller brasilianischen Liedermacher, Caetano Veloso. Mit Veloso verbindet den jungenhaft wirkenden Cavalcanti nicht nur eine über eine Vierteljahrhundert dauernde enge Freundschaft, sondern auch eine musikalische Geistesverwandschaft.
So ist es kein Wunder, daß das »Sudhaus«- Konzert — Cavalcanti spielte zu seinem Gesang akustische Gitarre — zunächst stark an Solo-Auftritt Velosos erinnerte. Die beiden singen annähernd in derselben Stimmlage, auch die Phrasierungen ähneln sich. Aber Cavalcanti hat die Tradition der musica popular brasileira weiterentwickelt. Er gibt zwar auch Joao Gilberto als großes Vorbild an, ist von Epigonenhaftigkeit aber weit entfernt. So klang's in »Tudo sobre eva« plötzlich nach Bob Dylan, und in »Farol da Jamaica« huldigte er nicht nur textlich dem verstorbenen Reggae-Star Bob Marley.
Cavalcantis Melodien sind von einfacher, manchmal an Kinderlieder erinnernder Schönheit. Die »Eligia«, schon 1979 von seinem Freund Veloso aufgenommen, ist so ein Stück, das bei aller melodischen Einfachheit durch die Phrasierung des Sängers rhythmisch enorme Spannungen aufweist.
Nachdem sich seine starke Nervosität gelegt hatte, taute Cavalcanti mehr und mehr auf, zeigte daß ein »Talking Blues« auch prima in portugiesischer Sprache klingt (»Blues da Passagem«), pfiff und imitierte Bläser zu seinem technisch ausgereiften Gitarrenspiel und bat die wenigen Zuhörer zum Mitsingen. Was dabei herauskam, schätzte der Musiker später im Gespräch als »ein wenig kalt« ein: In Brasilien ist es halt selbstverständlich, daß das Publikum singend oder sonstwie lärmend mitmacht.
Der ehemalige Philosophie-Student sang ein Lied »von Gott und Engeln, die Menschen werden wollen« und meinte, daß Wim Wenders Film »Himmel über Berlin« ihm sehr gefreut habe, weil da auch die Geschichte seines Songs erzählt werde. In »Nuvoleta« verarbeitete Cavalcanti einen Ausschnitt aus »Finnegans Wake« von James Joyce in einer Übersetzung.
Eingängiger als im Konzert, wo der Sänger seine Lieder gewissermaßen im Rohzustand präsentierte, klingen die Songs auf Platte. Neben der sorgfältigen, klaren Produktion fallen besonders die abwechslungsreichen, rhythmisch stellenweise ganz schön vertrackten Arrangements für Keyboards, Baß, Gitarre, Bläser und Perkussion auf, die der Musiker zum größten Teil selbst geschrieben hat.
Zwei Zugaben erklatschten sich die Zuhörer, bevor Cavalcanti die Gitarre endgültig heiseite legte. »Mir hat's auch hier gefallen«, meinte der brasilianische Liedermacher, der tags zuvor in Konstanz vor 140 begeisterten Besuchern gespielt hatte, nach seinem Auftritt in der Garderobe. »Es ist nicht wichtig, wie viele Leute da sind — wichtig ist, wie gut sie zuhören«. Pericles Cavalcanti will wieder nach Tübingen kommen, »aber dann mit einer
richtigen Band«. (mpg)