Beißende Wortsatire, spielerische Reimlust, blödelnde Komik und jede Menge Musik: Das alles brachte der Augsburger Kabarettist und Gitarrist Martin Herrmann zur Eröffnung der neunten Reutlinger Kleinkunsttage sehr unterhaltsam ans Publikum im Rappenkeller.
Jede Menge Krisenlösungen hatte Herrmann, der gerade mit dem neu eingerichteten Kleinkunst-Preis der Stadt Wien ausgezeichnet wurde, dem zunehmend vergnügteren Publikum anzubieten. Beispielsweise will der Kabarettist »deutsche Blauhelme an deutschen Autobahnen« nebelwerfend einsetzen. Die Suppe ziehe den gemeinen Raser vom Typ »Turbo ergo sum« magisch an — »Patsch! Müßte man doch nicht mal das Grundgesetz ändern.«
Das klassische Love-Story-Schema verlegte Herrmann ins Kleine: »Du willst mir nur an die Doppelbindung«, seufzt bei ihm ein Molekül. Der Osterhase samt artspezifischem Sexualverhalten liege nicht auf Papst-Linie, stellte der Kabarettist fest: »Wollust ade, Wollaus ole«.
Blödelnd — aber nie blöd — tastete sich Herrmann an den meist tiefschwarzen Satire-Kern seiner Nummern mit Reimen heran, verpackte seine Kritik in witzig getextete Lieder. Von »Daniel, dem Drüsendieb«, handelte eines, über das die Besucher im - wie immer bei den Kleinkunsttagen ausverkauften — Rappenkeller Tränen lachten. Dieser »Organspenderblues« gelang dem Kabarettisten auch musikalisch gut.
Herrmann, der angeblich bewußt (»Der Schwabe schätzt ein gesundes Preis-Leistungsverhältnis!«) seine zwölfsaitige Akustikgitarre nur halb bespannt hatte, wäre die Gage vermutlich auch wert gewesen, wenn er nur musiziert hätte: Nahezu technisch makellos geht ihm ein Flamenco von der Hand, Bluesgitarre kann er sowieso rauf und runter spielen — und sein »Fmgerpicking« ist ein Genuß.
Über die Musik freuten sich die Besucher genauso wie über die vielen verbalen Spötteleien. Dementsprechend laut war der Beifall — der Verein »Kleinkunstbühne im Rappen« hat mit der Einladung Herrmanns mal wieder prima Werbung für sein Pro-
gramm gemacht.
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 25. Dezember 1993
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