Oft ungeschlacht und dabei hinrührend hilflos sind Ralf Königs Comic-Figuren, Männer wie Claudia von nebenan, deren Beziehung gerade zerbricht.
Was einem der momentan beliebtesten Comiczeichner Deutschlands bei Schwulen wie Heteros zum großen Erfolg wurde, kommt auch als Bearbeitung für die Bühne bestens an. Zweimal schon war Reutlingens »Tonne« ausverkauft (die dritte Vorstellung am heutigen Freitagabend um 20 Uhr wird es auch sein), an jedem Abend ernteten die Frankfurter »Tolleranzen« (das sind Daniel Meier, Thomas Weil, Martin Keppler und Stephan Grütering) für ihre schnelle, manchmal sehr platte und zotige Revue "Prall aus dem Leben" viel Applaus.
Da gab's einen begeisterten »Transi« zu sehen, der eine erbärmliche Tina-Turner-Parodie abliefert. Oder einen Opa, der ein spätes »Coming out« erlebt: Als sein Enkel ihm erzählt, daß er nicht zum Bund muß, weil er schwul ist, belfert der Alte los, Nein, nein, er hat gar nichts dagegen, daß sein Nachkomme nicht auf Frauen steht - »früher, mein Junge, ja früher, da gab's noch richtige Männer«, gerät er ins Schwärmen, während seiner Frau die Tränen kommen.
Verquer und witzig war auch jene Szene, in der ein flüchtender Josef in Gegenwart Marias fluchend überlegt, ob er mit einem »Marius« nicht doch mehr Spaß gehabt hätte. »Was kann ich denn dafür, daß Gott dich als Jungfrau eingeplant hat«, schimpft er - »Josef, mach jetzt bloß keinen Scheiß«, dröhnt es mächtig von oben.
Fast interessanter als die Show auf der Bühne waren die Gesichter des buntgemischten Publikums, das in dem vorgehaltenen (Zerr-)Spiegel auch etwas über die »Tolleranz« im eigenen Kopf erkennen konnte. Die Männer saßen bei der Mittwoch-Vorstellung oft mit hochrotem Kopf da - klar, einem echten Macho passiert's nicht jeden Tag, daß ihn ein gelockter (und gutaussehender!) Jüngling bezirzt.
Ein Wechselbad der Gefühle durchmachten zumindest mimisch auch viele Frauen. Da mischte sich kindliche Neugier und - natürlich rein künstlerisch begründetes - Interesse am Mann mit der Scham am eigenen lauten Lachen.
Die »Tolleranzen« zeigen neben all dem Klamauk und Nonsens in ihren Szenen aus dem Homo-Leben vor allem eins: Die Probleme, die Mann mit Mann im alltäglichen Zusammenleben hat, unterscheiden sich nur in (unwesentlichen?) Kleinigkeiten von denen, die es bei den anderen Spielarten zwischenmenschlicher Beziehungen gibt.
Autor: Martin Gerner
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