Harte Zeiten, harte Filme: Im Vergleich zu Tony Scotts neuem Gangsterfilm »True Romance« kommt einem »Bonnie und Clyde« wie ein Sonntagsspaziergang zur Schäfchenwiese vor. Knallharte Gewaltszenen, fast schon krankhaft detailgenau inszeniert und faszinierend temporeich choreographiert, dominieren nach zwei Stunden Kino in der Erinnerung des Betrachters.
Scott hat eine alte Geschichte aufgegriffen und ins Jahr 1994 übersetzt: Einsames Mädchen verliebt sich in einsamen Jungen - aber vor dem trauten Glück zum Happy End müssen die beiden Qualen noch und nöcher erleiden.
Der Zuschauer litt mit Faye Dunaway - der Zuschauer leidet mit Patricia Arquette. Die zeigt als starkes Ex-Callgirl Alabama fantastische Leistungen, genau wie Christian Slater, der sich als unbedarfter Amateur-Koksdealer Clarence zwischen Großgangstern bewegt wie ein Fisch im Wasser. Daß Dennis Hopper als Clarence's Vater die Leinwand mit ruhiger, reifer Ausstrahlung füllt, ist fast schon selbstverständlich.
An den »Schnee« kommt Clarence, als er Alabamas Sachen bei Zuhälter Dread - furchtbar böse dargestellt vom rastalockigen Gary Oldman - abholen will, erst Rot sieht und dann falsch: Nachdem Clarence alle umgelegt hat, schnappt er sich den falschen Koffer und läßt seinen Führerschein gut plaziert auf einer Leiche liegen.
In der Folge jagen zunächst ein halbes Dutzend Mafiosi mit abgesägten Schrotflinten, Rasiermessern und ähnlichem Gangster-Werkzeug das arme Paar - und später gesellen sich, kalt, zynisch und (wir haben's gewußt!...) reichlich trottelig, nochmal soviele »Bullen« dazu.
Bevor's zum finalen Showdown kommt und Polizei, Mafia und das Liebespaar bei der Übergabe des Stoffs sämtliche vorhandenen Kugeln verballern, lernen die Zuschauer noch, daß »wahre Liebe« alles überdauert.
Das ist nix Neues im Kino - neu ist nur die Brutalität, mit der sich Alabama das Gesicht zu Brei schlagen lassen muß. Sie revanchiert sich bei dem Killer: Erst will der aus ihr die Adresse ihres frisch angetrauten Ehemanns herausprügeln und dann, nachdem sie ihm eine Elvis-Büste auf den Hinterkopf und einen Korkenzieher in den Vorderfuß appliziert hat, überhaupt nichts mehr.
Presley spielt in diesem Film, in dem fleißig und auch witzig von Kung-Fu-Streifen über Hitchcocks »Psycho« bis hin zu Dario Argento aus der einschlägigen Kino-Geschichte zitiert wird, eine wichtige Rolle: Als cooler Makler motiviert er den hilflosen Clarence - und findet am Ende lobende Worte für den Gereiften.
»Du bist so cool«, läßt Scott Alabama sagen, als sie im Strandkorb zufrieden ihrem Mann zuschaut, wie er mit seinem Sohn spielt. Cool - und in dem permanenten Nebeneinander von Zärtlichkeit und brutalster Gewalt auf sehr zeitgemäße Art unterhaltend - ist auch der Film.
Empfindliche Gemüter sollten sich allerdings was Gutes tun und mit Rücksicht auf Magen und Psyche in »True Romance« erst gar nicht gehen.
Autor: Martin Gerner
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