Montag, 13. Juni 1994

Haindling: Wenn der Zwiefache rockt

Nach dem Konzert mit den »Brecker Brothers« verlegten die Organisatoren des »9. Internationalen Tübinger Festivals« auch das »Haindling«-Konzert von der Mensa Wilhelmstraße ins wesentlich kleinere »Foyer« bei der Blauen Brücke. Das Publikumsinteresse war nicht so groß wie erwartet; doch immerhin rund 400 Leute drängelten sich dann im Kinosaal.

Laut war's. Der Mixer war entweder taub, oder konnte nicht mehr rechtzeitig auf den kleineren Saal umdenken: Der hohe Schallpegel verschleierte die diffizilen Arrangements und brachte nichts. Und wenn Bandchef Hans-Jürgen Buchner und seine fünf Mitmusiker mit vollem Gebläse - rund ein Dutzend verschiedene Tröten von der Tuba bis zum Sopransax hatten sie mitgebracht - spielten, wünschte man sich in die lauschige Stille eines Bierzelts...

Zwischen krachlederner Tradition und gezähmtem Pop-Funk brachte »Haindling« alles, wofür die Band von den Fans seit 13 Jahren geliebt wird: Die Ohrwurm-»Hits« »Du Depp«, »Lang scho nimmer gseh« oder »Du siehst aber gut aus« sowieso, neueres Material vorsichtig dazwischen, Improvisationen auch,  schräg und doch harmonieselig.

Buchner fordert sein Publikum auf, die Hände nicht zu verschränken, das »lockert die akademische Verspannung, net wahr« - und später dürfen die 400 das Brüllen üben. Dieser Schrei-Teil - ritualisierter Bestandteil vieler »Haindling«-Konzerte - funktioniert auch diesmal als Publikumsenthemmer.

Aber, auch das ist typisch bei »Haindling«, kein Spaß ohne Denkarbeit. Mitklatschen dürfen die Fans, aber im richtigen Takt bitte - und den erklärt Musiklehrer Buchner (»Mit Vier Viertel ist hier nix zu machen«) ausführlich und didaktisch spürbar beschlagen.

Länger als zwei Stunden bringen die sechs von »Haindling« ohne Pause rockende Zwiefache und funkige Ländler, Bavaria-Rap und typische Miniaturen des Studio-Klangtüftlers Buchner. Am Ende sind die Zuhörer begeistert und bekommen verschwenderisch Zugaben serviert. (mpg)

500 von 5000

In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...