Freitag, 21. Oktober 1994

Tom Cora: Film-Impressionen

»Ich hab' mich viel zu sehr auf die Technik verlassen«, sagte der New Yorker Avantgarde-Cellist Tom Cora den Besuchern im »Foyer«. Der Musiker — wie alle, die in der Reihe »Silent Movies — Loud Music« in Tübingen gastieren, ein Freund der »Knitting Factory«, hatte eigentlich vorgehabt, auch Geräusche mit elektronischem Gerät zu einem alten UdSSR-Film zu machen.
Weil eine halbe Stunde vor Konzertbeginn aber nichts funktioniere, auch eine telefonische Blitzdiagnose eines New Yorker Technikers nicht half, erlebten die Besucher eine Premiere: Tom Cora verzichtete weitgehend auf die Elektronik und unterlegte den »Mann mit der Filmkamera« (1928, Regie: Dziga Vertov) mit akustischen Cello-Tönen.
Harte, anspruchsvolle Kost war's: Zum einen ist der 90-Minuten-Film über das Filmemachen und das sozialistische Leben nichts für Ex- und Hopp-Konsumenten, sondern eine expressive, dokumentarische Bildersinfonie. Der Reiz kommt erst mit der Konzentration.
Dasselbe läßt sich über die introvertierten und — natürlich — harmonisch schrägen Klänge sagen, die Cora seinem Instrument entlockte. Die wenigen Zuschauer genossen die Vorstellung — und werden sich sicher zum großen Teil beim nächsten »Silent Movies — Loud Music«-Termin im November wiedersehen.   (mpg)

500 von 5000

In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...