Freitag, 11. November 1994

Rabih Abou-Khalil: Virtuose Gegensätze

Daß der libanesische Oud-Virtuose Rabih Abou-Khali Gegensätze mag, ist bekannt. Schließlich hat der in München lebende Musiker schon auf seinen bisherigen Platten die klassisch arabische mit der westlichen Jazztradition fusioniert, mit eindeutig afroamerikanisch geprägten Kollegen zusammengespielt. Charlie Mariano ist lediglich der bekannteste.

Bei seinem neuerlichen Tübinger Konzert mit dem »Blue Camel Picnic« trieb es der Ausnahmemusiker noch bunter als gewohnt: Deutlicher und weniger verschlüsselt treffen Bluesharmonien auf arabisch-exotische Tonschrägheiten.

Das liegt vor allem am Amerikaner Howard Levy, der mit einer Mundharmonika im bis auf den letzten Platz gefüllten »Foyer« schlichtweg unglaubliche Sachen anstellte: Mal abgesehen davon, daß der Mann in bester Bluestradition überaus lebendig phrasierte und höchst intelligent improvisierte - Levy wandelte ohne große Effekt-Zutaten den Klang der Instrumente aus Trossingen scheinbar beliebig. Da schluchzte die Harmonika mal wie eine Geige oder tönte hell und strahlend wie eine Trompete.

Bei dieser West-Ost-Connection spielte aber Schlagzeuger Mark Nauseef, amerikarlisch-libanischer Herkunft, eine große Rolle. Er ist ebenso im Rock-Idiom firm wie in der Jazzrhythmik, kann die arabische, indische, balinesische Klopf-Sprache ebenso tut vermitteln wie afrikanische Grooves. Gnauso unbeschränkt sein Baß-Partner, der Pariser Tuba-Spieler Michel Godard. Mit spielerischer Leichtigkeit handhabte der gleichermaßen im »E«- wie im "U"-Musiklager beheimatete Virtuose sein ganz und gar nicht leicht zu spielendes Instrument.

Rahmentrommler Nabil Khaiat schließlich zeigte, was man mit einem einfachen Schlagfell alles anstellen kann - vorausgesetzt, man haut nicht einfach nur so drauf, sondern benutzt alle zehn Finger.
Klar, daß im Zusammenspiel dieser hochintelligenten Musiker ebenso intelligente Musik entstand, die sich Kategorien weitgehend entzog. (mpg)

500 von 5000

In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...