»Warum soll ich dasselbe Thema in einem Stück zweimal vorstellen?« fragte der von seinen Fans gern ins Schublädchen »Revoluzzer« eingeordnete Musiker noch vor zwei Jahren.
»Naked City« ist Legende. Zu seinem neuerlichen Tübinger Gastspiel kam Zorn - wie immer ganz und gar unprätentiös in schlabbrigen Tarn-Hosen plus T-Shirt gekleidet - mit seiner neuen Formation »Masada«.
Ein anderer Name, ein ganz anderes Konzept: Wo früher die schrillen Sound-Splitter eingefahrene Hörerwartungen zerfetzten, ist heute trügerisch hesinnliche Ruhe angesagt. Zorn ist noch raffinierter geworden, zeigt sich als sanfter Revoluzzer. Er gewinnt die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer im fast vollen »Foyer« mit ruhigen, verhaltenen Klangflächen, die über weite Strecken romantisch anmuten. Diese sensiblen Spielchen zwischen dem Altsaxophon und der Trompete von Dave Douglas (»New And Used«), die atmosphärische und extrem zurückgenommene Arbeit von Schlagzgeuger Kenny Wollensen und Bassist Greg Cohen wirken beinahe kammermusikalisch.
Ein Eindruck, der durch den weitgehenden Verzicht auf Elektronik noch verstärkt wird. Lediglich der Kontrahass tönt mit elektrischer Krücke. Alle anderen Instrumente kommen mit ihrem ureigenen Klang akustisch über die Bühnenrampe.
Watteweiche Schmuseharmonie für Ohr-Ästheten? Nix da - die vier von »Masada« leisten sich nämlich zwischen all den von Klezmer bis Flamenco stark ethnisch geprägten Melodielinien improvisierte wilde Ausbrüche.
Als ob sie den Free Jazz neu erfinden müssten, schichten Zorn und seine Mitmusiker dann in verschiedene Zählzeiten und Skalen aufeinander, lassen sie mit sichtlicher Lust am Krach durcheinander purzeln. Es hat was Masochistisches: Den Musikern macht es großen Spass, die ruhig und langsam gemeinsam erarbeitete Getragenheit mancher Stücke in Null Komma nichts mit ein paar Geräuschkürzeln zu zerstören. Da ist Zorn dann wieder ganz der alte, auch wenn er dieses Muster gar zu oft wiederholt.
Wie gehabt auch die Reaktion des Publikums: Lauter Beifall. (mpg)