Montag, 6. März 1995

Gerhard Polt: Fast wie im richtigen Leben

»Alle san's do gwesen, alle war'n vollzählig« im Polt'schen Gemeinderat, und in der Walddorfhäslacher Gemeindehalle sowieso: Mehr als 800 begeisterte Besucher wollten Gerhard Polt solo sehen.

Voll aus dem Leben gegriffen waren die — teils schon bekannten — Szenen des bayerischen Meister-Spötters, wie immer mit Hintersinn und öfters knapp am intellektuellen Super-Gau vorbei formuliert die Gedanken seiner Figuren: In der dörflichen Real-Polit-Satire zu Beginn kriegt der Fingerhakler-Verein »8000 Mark vom Kulturetat, hihi, dabei ham ma gar kein Kulturetat net, da schtell'n ma den Kindergarten halt no z' ruck«.

Eine richtige Investition: »Dia bieten Schnupperwochen für Dreijährige an, des is' gut, dann fressen's keine Drogen mehr«…

Das Treffen mit Landespolitikern war für die Gemeinderäte »ein voller Erfolg, ääh . . . die Speisekarte hab' ich jetzt nicht mehr im Kopf«.

Polt — er ließ sich nur deswegen zu einem Soloabend überreden, weil er tags zuvor wegen einer Familienfeier im Schwäbischen war — machte sich Gedanken darüber, wie schnell die Zeit vergeht: »Wann ma sich des überlegt, jetzt hamm mr's 1995, letzt' Johr war's 94, davor 93 — wie die Zeit vergeht, Wahnsinn, ma konnt' ganz sentimental werden«. Mit dieser philospophischen Dünnbrett-Bohrerei hatte er die Lacher auf seiner Seite.

»Als »Bootsverleiher ist er aufs Auto angewiesen, den Führerschein ham's ma zwickt, da mußt' ich das ganze Jahr ohne herumfahren«. Aber er sei ein positiver Mensch, »das letzte Jahr war sehr positiv für die Hausbesitzer«. Wenn's allerdings so gut weitergehe, »dann wohne, wer will. Ich wohne dann nicht mehr. Außerdem: Ich habe schon gewohnt, ich weiß' wie's geht«.

Die beliebte Nummer um die Luxus-Garage samt teuren Fliesen und Fußbodenheizung in der Auffahrt (»Dann können die Kinder amal frei entscheiden, ob's das Auto 'reinfahren oder nicht«) brachte Polt ebenso trocken wie den Tennis-Krieg. Da geraten sich ein bayrisch grantelnder Vater und eine überdrehte »Saupreußin« über die Spieltaktik der Sprösslinge in die Haare.

Höhepunkt in dem zweistündigen Exkurs über Gott und die Welt war die in Bayerischem Englisch gehalten Rede an die »Dear Tschurangratlers«, wo Polt den imaginierten Afrikanern im Publikum »se Trinity of bawarian dämocrassi, Pläto, Zizero änd Ochsensepp« erläuterte.

Ähnlich abgedreht die Szene, wo er sich über die Presse beschwert, weil die einen Vorfall beim Oktoberfest verfälscht hat: »Der Maßkrug is' nur ganz leicht auf den Hinterkopf auf' gesetzt gwesen. So an' Geistesmensch muß doch wiss'n, daß ma mit am Kopf, der wo garnix aushält, ned aufs Oktoberfest genga darf«.

Der Polt schaut den Leuten halt aufs Maul, entlarvt karikierend Blödheiten und geißelte mit beißender Schärfe auch in Walddorfhäslach Inhumanes: »In einer Welt voller Zündhölzer werden wir doch keine Pyromanen züchten« meint der Kinderhasser im Lokal entrüstet, bevor er mit der Schrotflinte auf Jagd geht.

Es war klar, dass die permanent kollektiv kichernden Besucher auch nach mehr als zwei Stunden noch nicht genug hatten. Gerhard Polt (»Ich trete kaum mehr alleine auf, ich brauche meine Ruhe«) ließ sich nicht lange bitten und empfahl Pfarrern, denen die Leute weglaufen, »Reality-TV über die Hölle«. Schließlich würden sich die Kids »nur deswegen Horrorvideos anschauen, weil die Predigten so lahmarschig sind«…

Autor: Martin Gerner

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