Kommerziell gesehen war's eine Pleite, künstlerisch ein gutes, hörenswertes Konzert. Keine zwei Dutzend Gäste kamen zum Gastspiel des französischen Saxophonisten und Klarinettisten Sylvain Kassap ins Tübinger »Foyer«. Eingeladen hatte — in Kooperation mit dem »Zoo« — das »Institut Culturel Franco-Allemand«.
Kassap und seine drei Mitspieler ließen rund zwei Stunden lang grösstenteils spannenden, kammermusikalisch präsentierten Jazz hören. Dabei standen die improvisierten Parts im Vergleich zu den notierten im Vordergrund. Da flossen öfters osteuropäische Harmonien ein, mal auch eine kleine Andeutung von Klarinetten-Klezmer, und sehr viel von jener Art »Electric Jazz«, wie ihn Miles Davis Anfang der 70er eingespielt hat.
Auf der Baßklarinette überzeugte Kassap mit flüssigem, oft perkussionistischem Spiel, sein Sopransax-Ton ist nicht schneidend hell, sondern warm und weich. Den Klassiker »Send In The Clowns« präsentierte Kassap nach der Pause auf der Klarinette elegant und packend.
Auch seine Mitspieler können was und zeigten das. Besonders fiel Drummer David P. Duteil auf, der wie der junge Tony Williams die Truppe mit einem durchgängigen »Puls« versorgte und dabei noch höchst einfallsreich improvisierte. Er harmonierte prima mit dem Kontrabassisten Marc Buronfosse. Nur die Spielweise von Philippe Deschepper wollte anfangs gar nicht zum fein austarierten Kammermusik-Jazz der anderen passen.
Seine schrägen Harmonien störten kräftig »sägend«, wirkten eher verzerrt. Später verzichtete er aber dann auf den Holzfäller-Sound. Bleibt nur das zu sagen, was schon oft nach guten Jazzkonzerten hier gesagt wurde: Die, die da waren, haben Sylvain Kassap und Co. goutiert — und die anderen ganz eindeutig was verpasst. (mpg)
Mittwoch, 24. Mai 1995
Sylvain Kassap: Freie Kammermusik
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