Hat Deutschland keine besseren Liedermacher, die Jury des SWF-Liederpreises «Schlagseite« oder ist der Mann womöglich wirklich noch so gut? Franz-Josef Degenhardt bekam jedenfalls am Samstag im Tübinger Landestheater beim SWF-Liederfest zum dritten Mal innerhalb von neun Jahren den Preis; schon 1986 und 1988 ausgezeichnet, nahm er diesmal die Ehrung für sein Lied »Ja, es gibt diese Abende noch« mit nach Hause.
Degenhardt, der seit mehr als dreißig Jahren zur Liedermacher-Szene gehört, stehe »für linke, intelligente Kultur als Gegengewicht zum Kultainment«, formulierte die wegen Schneestaus verhinderte Laudatorin Anne Worst in ihrer per Fax übermittelten Rede.
Der Künstler selbst benahm sich sehr steif, war offensichtlich nervös — und gab rund eine Dreiviertelstunde lang zur teilweise neuarrangierten Gitarrenbegleitung neue und alte Songs zum besten. Muß erwähnt werden, daß besonders die Geschichten vom »Tonia Schiavo« und den »Schmuddelkindern« — sozusagen »Hits« der 68er-Generation — von dem durchweg »mittelalterlichen« »Publikum im vollbesetzten großen Theatersaal heftigst beklatscht wurden?
Überhaupt verfolgten die Tübinger Lieder-Fans mehr als vier Stunden lang die verschiedenen Musikbeiträge mit gespannter Aufmerksamkeit und sparten nicht mit Beifall. Lediglich Thomas Vogel, der bemüht und verkrampft wirkende SWF-Moderator, kam nicht so gut an. Und den kindisch peinlich genau ausgedruckten Zeitplan hielten die Organisatoren (sowieso) nicht ein, überzogen um glatte 75 Minuten . . .
Sei's drum — das Zuhören hat sich wohl gelohnt: Selbst die volksmusikalischen Späße des »Bairisch Diatonischen JodelWahnsinns« samt Polit-Satiren aus der Standard-Kiste kamen zu später Stunde noch bestens an. Dabei macht das Trio mit Ziehharmonika, grellgrün angestrichener Geige und diversen Blechblas- wie Zupfinstrumenten letzendlich doch nur das erfolgreiche Konzept der »Biermösl Blosn« nach, einen Schuß »Ringsgwandl«-Schrägheit ab und zu noch obendrauf.
Wesentlich origineller tönte da die zwischen Tradition, Cabaret und souligem Jazzgesang, lavierende Schweizerin Dodo Hug samt drei exzellenten Begleitern an Keyboards, Akkordeon, Gitarre und Bass. Zu der musikalisch packenden Vorstellung — Dodo Hug hat einfach eine tolle, ungemein flexible Stimme — kam kabarettistisch-verschmitzter Witz: Fast schon »New Age«-mäßig klang ihre Aufforderung »Sommr chumm« (Sommer, komme) — und ihre »Ode an die Zigarette« brachte humorvoll Raucherleid und -freud auf den Punkt.
Stoppok, der Rocker aus dem Ruhrgebiet, wollte trotz »Unplugged«-Vorstellung mit seinen Schlabberklamotten und dem schlichtweg fertigen Gesichtsausdruck gar nicht so recht zum gesetzten Publikum passen. Mit locker-lässigen Songs und unverkünstelten Texten sozusagen »direkt aus dem Leben« lieferten er und sein Bandkumpel, Danny Dzuik an Gitarren und dem Flügel aber dann das aufregendste und wohl auch emotionalste Konzert des Abends.
Nach »Du machst mich mein Herz am Klopfen« und »Denk doch noch mal drüber nach« sangen viele dann bei »Dumpfbacke« laut mit — das hatte ohne Zweifel seinen besonderen satirischen Reiz.
Der Südwestfunk schnitt alle Einzelkonzerte mit feiner Aufnahmetechnik mit; im Rahmen des festen Sendetermins der SWF-Liederbestenliste (jeden ersten Samstag im Monat, 23.05 bis null Uhr) werden sie demnächst im S2-Kultur-Radio nochmal zu hören sein. (mpg)
500 von 5000
In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...
-
»Wer zum Teufel ist Axl Rose?« flachste ein bestens aufgelegter Wolfgang Niedecken, »wir haben Axel Büchel.« Widerspruch kam unter den rund ...
-
Eine Parodie des Clownseins, der Besuch einer Freundin, eine hinreißend komische Einrad-Nummer und noch einiges mehr bot der Clown Georgo Pe...
-
So ausdauernd waren die Tübinger Brasil-Fans schon lange nicht mehr: Bei der Afro-Brasil-Party war das »Foyer« selbst nachts um vier auf all...