Donnerstag, 21. Dezember 1995

Mutabaruka: Reggae-Star mit toller Band

Das Bemerkenswerteste ist, daß nur 300 Besucher das »Mutabaruka«-Gastspiel in Tübingen sehen wollten.

Schon verwunderlich: Da kommt ein Jamaikaner, der sich sonst vergleichsweise rar macht, zu seinem einzigen Konzert in Südwestdeutschland in die Mensa Morgenstelle — und ausgerechnet da bleiben die Fans weg. Noch mehr ins Rätseln über diesen Flop kommt der, der letztes Jahr mehr als 1000 ausgelassene Zuhörer bei »Mutabaruka« in der unteren Tübinger Mensa erlebt hatte.



Auch diesmal gab's im weitgehend tanzenden Publikum — von 15 bis 50 — nur zufriedene Gesichter. Erstens war die Beschallung im Foyer der Mensa gut; nur im hinteren Drittel klang's wegen der wenigen Besucher ziemlich hallig. Zweitens war der Chef selbst, soweit man das beurteilen kann, wieder bestens aufgelegt und stimmlich in Hochform. Als er — wie letztes Jahr auch — gegen »Junk Food« rhetorisch elegant und geschickt wettert, sich scharfsinnig Gedanken über die Abhängigkeiten der sogenannten »dritten« von der »ersten« Welt macht und zu dem Schluß kommt: »Die Sklaverei ist noch nicht abgeschafft!«, hat er das Publikum voll im Griff: Die meisten hörten Mutabarukas oft in komplizierte Reimformen verpackten Botschaften zu.

Und die Besucher konnten — dritter Positiv-Posten — tanzen ohne Ende. Mutabarukas vierköpfige Band spielte — nicht nur am Reggae-Durchschnitt gemessen - bestechend professionell und gemeinsam exakt auf den Punkt. So gingen die meisten schon zu Beginn des dreistündigen Konzerts, als die Band alleine einheizte, begeistert mit.

Zur Präzision kam eine in diesem Genre selten gehörte stilistische Vielfältigkeit. Die vier an Gitarre, Keyboards, Baß und Schlagzeug brachten — vom althergebrachten Blues-Schema bis hin zu modernstem Funk-Pop-Stil, vom Rock-Gebretter bis zum Fusion-Jazz — verblüffend vieles in dem grundsätzlichen Reggae-Beat unter.

Viele  »Mutabaruka«-Songs bekamen die Tübinger diesmal in gänzlich neuen Arrangements zu hören. So gab's — obwohl der Nebenberufs-Biolebensmittel-Händler auch bei seinem 95er Gastspiel keine neu aufgenommenen Stücke live vorstellte - doch viel Unbekanntes zu hören. Und auch deswegen war es ein gutes Konzert. (mpg)

500 von 5000

In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...