Ohne Zweifel ist er der profilierteste aller deutschen Jazzer. Klaus Doldinger, 60, hat sich mit seinem Saxophonspiel die Zuneigung der Fans ebenso erobert wie die Anerkennung der Kollegen weltweit. Und schon immer in seiner langen Karriere auf vielen Musik-Hochzeiten getanzt.
Als Solist ebenso beliebt wie als Leader der seit 25 (!) Jahren bestehenden Jazzrock-Formation »Passport«, ist Doldinger — der in den 60ern auch hochkommerzielle Tanzplatten aufnahm - auch ein erfolgreicher Film- und Fernseh-Komponist: Am bekanntesten wohl seine Titelmelodien zum »Boot« oder der ARD-»Tatort«-Serie. Martin Gerner hat sich mit Doldinger unterhalten.
Woran arbeiten Sie gerade?
Ich mach gerade fürs ZDF so eine Lustspielgeschichte, die in Afrika spielt, so eine witzige Sache . . .
Die neue Platte »Passport To Paradise« ist vergleichsweise heftig, mit vielen Rhythmusinstrumenten. Wird's auch im »JazzOpen«-Konzert so deftig zur Sache gehen?
Wir spielen natürlich die Platte, aber auch viele ganz alte Sachen. Wir könnten wirklich fünf Stunden ohne Pause spannende »Passport«-Musik bringen, ohne daß es uns oder dem Publikum langweilig werden würde.
Neben dem Jazz machen sie ja schon seit den 60ern Filmmusik. Wo liegen die Unterschiede?
Die Film-Produktionen sind natürlich mehr geplant, während wir mit »Passport« doch viel mehr Freiräume haben — und wenn ich in Stuttgart im dritten Teil mit Gästen auftrete, dann ist das noch mehr der Fall. Als ich vor zwei Jahren in New York mit Roy Ayers und Tommy Flanagan eine Platte gemacht hab, hab' ich mir diese Freiheiten auch genommen, im traditionellen Jazz-Sinn: Viel improvisieren, spontan musizieren. Das alles fällt bei Filmmusik weg, und wenn man mal kommerziellere Platten macht, wird die Freiheit immer mehr eingeschränkt.
Lassen Sie sich heute noch von Strömungen beeinflussen?
Hmm . . schwierige Frage . . . man verfolgt natürlich seine eigenen Intentionen . . . daß jetzt traditioneller Jazz gerade wieder in ist, das liegt irgendwie in der Luft. Ich hab' selber auch manchmal das Verlangen, die eine oder andere Jazzballade oder sowas zu spielen . . . diesem Gefühl geht man dann natürlich nach.
Was würden Sie heute einem jungen Menschen raten, der Berufsmusiker werden will?
Tja, ich kann gar keinen Rat geben. Ich glaube, dass heute viel zuviele junge Leute Künstler sein wollen. Jeder will weg von den bürgerlichen Berufen — (ironisch) es ist ja so schön, wenn man morgens ausschlafen kann. Die wenigsten machen sich klar, daß ein Künstlerdasein auch Entbehrungen bedeutet — ich hab' das alles auch durchgemacht. Es war damals schon schwer, aber ich hab' das dumpfe Gefühl, daß es heute noch schwerer ist — einfach, weil's soviele Leute gibt, die das gleiche versuchen. Es gehört ein hißchen Glück dazu, Sitzfleisch und Geduld, und nicht allzu hohe Erwartungen. Erfolg kommt in den wenigsten Fällen ganz schnell, und wenn, ist es oft zum Nachteil der Künstler. Ich würd' auch raten, immer noch was anderes zu versuchen: In der heutigen Zeit sind Multi-Begabungen gefragt. Heute muß ein Musiker nicht nur spielen können — er muß gut organisieren können, Computer bedienen, sich in wirtschaftlichen Dingen auskennen. Wer da nicht den unbedingten Willen — und natürlich Talent — besitzt, hat's schwer. (mpg)
Mittwoch, 17. Juli 1996
Klaus Doldinger: "Glück, Sitzfleisch, Geduld"
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