Wer um die Stimmung sonst bei Konzerten in der Reutlinger »Färberei 4« weiß, erkannte die Atmosphäre der »Kulturfabrik« kaum wieder. Mit dem 54jährigen Liedermacher Hannes Wader gingen rund 450 Besucher gereifteren Alters — die meisten Gesichter hat man vorher noch nie in der »Färberei« gesehen — auf eine Zeitreise: Zurück zu den politisch stürmischen 70ern, als Waders Gefolgschaft noch in Tausender-Einheiten zu zählen war.
Er ist sich treu geblieben, der sperrig-kantige Bänkelsänger wider das Unrecht dieser Welt — und das honorieren auch zumindest seine Fans in der »Färberei 4«. »Als ich '77 in die DKP eintrat, hatte das einen fast totalen Medienboykott zur Folge«, sagt Wader, »die heutige Redakteursgeneration verbindet mit meinem Namen kaum noch etwas. Ich seh' das als eine Chance, von einer der nächsten Generationen wiederentdeckt zu werden«.
Bis dahin macht er sanfter, aber in seinem aufklärerischen Anspruch unbeirrt weiter, und erscheint in der »Färberei« wie ein — allerdings ziemlich wacher — Anachronismus: Die Anmoderationen sind oft länger als die Stücke selbst, die Wader mit seiner charakteristischen, in den hohen Lagen knödelnden und fast immer tremolierenden Stimme zur eigenen Gitarrenbegleitung anstimmt.
Nein — Moderation kann man das ganz und gar glanzlose, knochentrockene und zutiefst nachdenkliche Herausquälen von Worten eigentlich nicht nennen; wäre da nicht ab und zu ein kleines Lächeln auf des Barden Lippen — man würde nicht auf die Idee kommen, dass Wader seinen Job gerne macht.
Sein Gitarrenspiel, besonders sein Fingerpicking, ist nach wie vor äusserst routiniert, sehr effektiv und meistens auch recht flüssig für einen, der seine »eigenen Lieder total vergißt, wenn er sie vier Wochen nicht gespielt hat«.
Neben den neuen Songs, den »Zehn Liedern«, geht Wader immer wieder zurück zu den Stücken, die ihn in so manchem Schulbuch »verewigt« haben. Die »Moorsoldaten« zum Beispiel werden von den Reutlingern mit donnernd marschierendem Klatschen begleitet — und auch sonst sind seine Fans sehr angetan von dem Konzert.
Auch wenn die oben zitierten »nächsten Generationen« zumindest in Reutlingen wegblieben — vergessen ist Wader (»Ich bin ein Klassiker!«) offensichtlich noch lange nicht. (mpg)
500 von 5000
In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...
-
»Wer zum Teufel ist Axl Rose?« flachste ein bestens aufgelegter Wolfgang Niedecken, »wir haben Axel Büchel.« Widerspruch kam unter den rund ...
-
Eine Parodie des Clownseins, der Besuch einer Freundin, eine hinreißend komische Einrad-Nummer und noch einiges mehr bot der Clown Georgo Pe...
-
So ausdauernd waren die Tübinger Brasil-Fans schon lange nicht mehr: Bei der Afro-Brasil-Party war das »Foyer« selbst nachts um vier auf all...