Samstag, 14. Dezember 1996

Die Fantastischen Vier: Eleganz im Doppelpack

Treue Fans der Stuttgarter »Fantastischen Vier« haben's ja schon seit den Anfängen, spätestens seit dem 91er-Plattendebüt »Jetzt geht's ab«, gewußt: Das ist kein Retortenprojekt, sondern eine »richtige« Band, die erst in der Kommunikation mit dem Publikum zu echter Hochform aufläuft.

Nachzuhören ist die nach wie vor im Sprechgesangs-Lager konkurrenzlose ganz besondere Stimmung auf »FantaVier«-Konzerten jetzt für jedermann: »Live und direkt« heißt die neue, sechste CD-Veröffentlichung von Deejot Hausmarke, S.M.U.D.O., Elektronik-Mastermind And. Ypsilon und Thomas D.

Die Tondokumentation der vier von Konzerten in Stuttgart, Berlin, Oberhausen und anderen Städten war so reichhaltig, daß die neue Platte diesmal im Doppelpack daherkommt: Ein Silberling mit 75 Minuten Spieldauer »live«, der andere »direkt« mit Remixen von »Fantavier«- Stücken plus drei neuen Songs — ergibt fast zwei Stunden »FantaVier«- Musik.

Eines der neuen Stücke, die erste Singleauskopplung »Raus« samt dazugehörigem schwarzhumorigem Video, ist auf dem besten Weg, ein neuerlicher Hit der Gruppe zu werden. Schon jetzt sind die »Fantastischen Vier« kommerziell betrachtet die zugkräftigste Rap- und HipHop-Formation Europas; ihr letztes Studioalbum »Lauschgift« (von der darauffolgenden Mammut-Tournee stammen die jetzt vorliegenden Liveaufnahmen) hat mittlerweile den »Platin«-Status für 500 000 verkaufte Platten längst überschritten.

»Live« bringt — in exzellenter Tonqualität und in bisher nie auf Rap-Liveaufnahmen gehörter Sprachverständlichkeit — so ziemlich exakt das vollständige Programm der Konzerte.
Und weil da mit den Hamburger »Disjam«-Musikern Volker Kurnoth (Gitarre), Ralf Petter (Keyboards), Sascha Pankin (Baß), Oliver Schumacher (Percussion) und Drummer Christoph Kähler ausgemachte Profis in Sachen Funk-Grooves mit am Werk waren, ist dieser Teil von »Live und direkt« sehr gelungen.

Die Fusion aus deutschem Sprechgesang, Plattengekratze, jeder Menge Elektronik und einer Live-Band funktioniert auf der Bühne bestens. Paradebeispiele dafür sind das sehr lebendig im Reggae-Rhythmus daherkommende »Ich bin«, der »Tag am Meer« mit einem überaus lässigen Gitarrensolo, die gute Scratch-Einbindung (»That's Hardcore«) in »Love Sucks« oder das Getrommel beim »Krieger«. Das sowieso schon immer auf rhythmische Eleganz ausgerichtete »Fantavier«-Konzept hat durch die Mitwirkung der exzellenten »Disjam«- Schlagwerker — zum Teil macht auch noch Florian »F.L.O.« Dauner mit — nur gewonnen.

Verloren haben dagegen die meisten Remixe auf der »Direkt«-Scheibe im Vergleich zu den Original-Versionen der »Fantastischen Vier«. Gelungen ist lediglich die Metal-Crossover-Version der »Krupps« von »Genug ist genug« im »Megavier«-Stil und der total abgedrehte, sehr spezielle »Krieger«-Mix von Aphex Twin.

Superstar Guru von »Gang Starr« kann dem Song »Sie ist weg« jedoch genausowenig zusätzliche Impulse geben, die aufhören lassen, wie Kenny Dope mit seinem »Was geht«-Remix. Und das nervöse »Trip Hop«-Geklapper des »Tags am Meer« in der Machart des »Waxdoctors« nervt schlichtweg. Auffallend bei allen Recyclingarbeiten der englischsprachigen DJ-Stars ist der mangelnde Respekt vor den deutschen Textzeilen. Da war wohl fast überall (deutsch-)sprachliche Ignoranz mit im Spiel.

Nur drei neue Stücke haben die »Fantastischen Vier« nach dem kräftezehrenden Dauer-Tourneestreß aufnehmen können. Neben »Raus« noch das ironisch-witzig im »Gangsta«-Stil daherkommende »Der Picknicker« sowie »Das Kind vor dem euch alle warnten«: Ein typischer Text von Thomas Dürr.
Auf der »Direkt«-Scheibe findet der Computer-Fan zusätzlich noch einen CD-ROM-Datenteil. Darin gibt's einen »Fantavier«-Bildschirmschoner für Windows, ein »Interactive Press Kit« für Windows und Mac sowie Video-Ausschnitte von »Sie ist weg«, »Populär« und »Nur in deinem Kopf« im weitverbreiteten »Quick Time Movie«-Format. (mpg)

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