»Grüss Gott, liebe Kurgäste, ich fass' mich kurz, es is' nachad ja noch so viel los . . . mir hob'n an Watschentanz und a Tombola« — Gerhard Polt, Satiriker aus Passion und Grantler aus Neigung, begrüsste sein Bad Uracher Publikum mit der »richtigen« Figur. Die eng bestuhlte Festhalle war ausverkauft, als der Kabarettist vom Tegernsee und seine ständigen Begleiter, die »Biermösl Blos'n«, am Dienstagabend auf Einladung des »forum 22« gastierten.
In der Rolle des salbadernden Kur-Bürgermeisters machte sich Polt über solch miefige Orte lustig, wie es Urach sicherlich schon lange keiner mehr ist: »Das Mittelalter war eher ruhig, die Renaissance, das 18. Jahrhundert — alles ruhig, dafür war Bad Hausen quer durch alle Zeiten eine beliebte Viehweide!« Das Heimatmuseum (»donnerstags von 13 bis 14 Uhr geöffnet«) und die kulturellen Errungenschaften streift der Schultes nur kurz — dafür wird ein dreieinhalb Meter hohes Denkmal für Franz-Josef Strauss eingehend erwähnt: »Schliesslich hat der doch hier mal bei der Vorbeifahrt einen Defekt an der Benzinpumpe gehabt.« Gästen, die damit nichts anfangen können, sei »Fresh-air-snapping« oder »Candlelight-Brotzeiting« ans Herz gelegt .
Viel böser wird Polt, als er kleinbürgerliche Kapitalisten-Träume in einer gleichzeitig hinreissenden und — weil sie gar nicht mal so sehr satirisch überhöht erscheint -erschreckenden Parodie eines bajuwarischen Fritten-Brutzlers kumuliert: Am Ende der Szene bekommt der »Bangladeshi«, der vom »Secret Service« verliehen wurde, zwei Mark siebzig Stundenlohn — und der »Unternehmer« kann dann schon verstehen, »warum der Wirtschaftsstandort Deutschland nicht mehr lohnt«.
Besonders lachen die restlos begeisterten Uracher über jenen altbekannten Poltschen Sketch, wo eine überdrehte Neureiche vom Reisetrip »Essen wie vor zehntausend Jahren« berichtet. »Tafelspitz vom Riesenwaran« gibt's keinen, »weil ein Zahnarztehepaar das letzte Exemplar gegessen hat«.
Dafür aber »Termiten-Ravioli«, »Beinschinken vom Koalabären« — und natürlich bei den Menschenfressern (»die war'n ganz zivilisiert, sogar a Foto vom Karl Moik hob'ns g'habt«) biologisch unbedenkliches Fleisch, »in der Regel von so Boat-People oder amal an Blauhelm, wenn'r sich verirrt«.
Ob als Vater, der sich über die Lernfaulheit seines Video-zappenden Sohnes aufregt, »wo ich doch die ganze französische Revolution in Schwarzweiss gesehen hab'«, als grantelnder Tennis-Papa, der nach und nach die ganze Fassung und jede Form von Höflichkeit verliert, oder als entschlossen philosophierender Schützen-Vereins-Vorstand (»Wir trinken Bier seit Jahrtausenden aus kultureller Verantwortung«): Polt schaut dem Volk aufs Maul und bringt das Aufgeschnappte dann mit teilweise aberwitzigen Logik-Sprüngen auf die Bühne.
Witzig sind die derben Sprüche und dumpfen Gedanken, weil sie aus dem Kontext des Alltags gerissen sind — eine detailliertere Anleitung zur möglichen Selbsterkenntnis seitens der Zuschauer liefert der bayerische Kabarett-Star aber nicht mit.
Wie immer musikalisch hervorragend aufgelockert — und satirisch zusätzlich gepfeffert — wurden die Verbalsatiren Polts von den drei »Biermösl Blos'n«. Die Multi-Instrumentalisten (Jazz- und Bachtrompete, Flöten, Saxophone, Akkordeon, Gitarre, Tuba, Drehleier und noch mehr) aus Günzelhofen machten sich wieder — wie beim letzten Gastspiel in der Region vor rund eineinhalb Jahren in Tübingen — über Mega-Kanalisation lustig, fledderten respektlos und gekonnt das Gruselkabinett volkstümlicher Musik und brachten die Uracher fast geschlossen zum Schunkeln. Zum Schluss tuteten die Brüder Christoph, Hans Michael Well gar noch in meterlange Hörner. Und Gerhard Polt lieferte das Gemuhe dazu... (mpg)
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