Die Erleichterung stand ihm ins Gesicht geschrieben, auch wenn er sich cool zu geben versuchte: »Mit den Besucherzahlen schreiben wir, das steht fest, schwarze Zahlen«, verkündete Werner Schretzmeier, Chef und Vater des Stuttgarter »Theaterhauses«, schon am Ostersonntag.
Ganz im Gegensatz zur 96er-Ausgabe des Oster-Jazz-Festivals ist die Kalkulation diesmal aufgegangen. Auch bei den letzten beiden Konzerttagen waren die Ränge im Wangener Kulturzentrum voll besetzt, auch diesmal zeigten sich die Jazzfans angetan bis restlos begeistert von der sehr unterschiedlichen Musik.
Dass Greetje Bijma, die Stimmband-Künstlerin, im »Theaterhaus« ankommen wird, war klar: Bei ihrem ersten Auftritt beim Oster-Jazz vor zwei Jahren standen die Fans regelrecht Kopf. Und auch jetzt reagierte das Publikum auf die schrägen Klang-Gemälde des Trios um Bijma mit Begeisterung. Greetje, der wieder hinter Keyboardburg und Kabelwust versteckte Jasper van't Hof und Drummer Pierre Favre mit seiner extremen Polyrhythmik machten Musik fast wie von einem anderen Stern - konnten aber bei allem erwiesenen Willen zum Neutönerischen so manche Leerlauf-Passage nicht vermeiden.
Exotisch, bunt, aber auch manchmal platt wie in der Touristikwerbung wirkte die Vorstellung des »Timna Brauer & Elias Meiri Ensembles«. Die Wiener Sängerin mit österreichisch-yemenitischen Wurzeln, der pianistisch atemberaubend virtuose Elias Meiri und drei Begleiter lieferten mehr »Ethno« und Folklore als »the real stuff«: Jazzige oder wenigstens jazzverwandte Elemente blieben aussen vor.
Dafür war die Vorstellung des Quintetts handwerklich wirklich vom Allerfeinsten.
J
iddische Melancholie und Ausgelassenheit machten auch die New Yorker »Klezmatics« ganz zum Abschluss der »13. internationalen Theaterhaus-Jazztage Ostern 1997« zum Thema. Die sechs aus New York, auch in der Region wohlbekannt, bringen musikalische Perfektion mit individuellem Ausdruck und erklärter Traditionspflege zusammen und bekamen viel Beifall für ihren swingenden »jiddish soul«.
Das Glanzlicht der Jazztage lieferte wohl das musikalisch überragende »Moscow Art Trio« mit dem technisch und improvisatorisch schlichtweg phänomenalen Pianisten Mikhail Alperin, dem souveränen Waldhorn-Spieler Arkady Shilkloper und Sergey Starostin (Gesang und vieles mehr). Absolut lässig, verspielt und humorvoll brachten die drei nordische Folklore mit schwer romantisierendem Klassizismus, allerlei stets swingenden Jazz-Linien und sogar ironisierenden Rock-Zitaten zusammen. Gleichzeitig in höchstem Mass artifiziell und doch mit kindlichem Spieltrieb erdacht erscheint die Musik dieser hin- und mitreissenden Moskau-Connection. Eine satte komödiantische Veranlagung der drei sorgte — unter anderem mit Einlagen, die anscheinend im Geist von Dada erdacht sind — dafür, dass es sogar dauernd was zum Schmunzeln gab.
Die drei Russen wurden von den hingerissenen Theaterhaus-Gästen mit donnerndem Applaus bedacht — und liessen später über Schretzmeier noch einmal besonderen Dank und Anerkennung für die freundliche Aufnahme und Konzentration seitens des Publikums ausrichten. (-mpg)
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