Die Stuttgarter kamen als erste dran: »Earth, Wind & Fire«, die Disco-Supergruppe der 70er, startete nach neun Jahren Pause ihr Deutschland-Comeback am Samstag im Kongreßzentrum auf dem Killesberg. Das Konzert war eines von insgesamt nur vier der legendären Hit-Formation; am heutigen Montag treten »EWF« in Frankfurt auf, morgen in Düsseldorf und am Mittwoch in Hamburg.
»EWF« — fast 20 Alben haben sie gemacht und beinahe doppelt soviele Hits - schafften schon vor mahr als zwanzig Jahren das, was man heute — nicht als Stilbegriff, sondern taktisch gesehen, »Crossover« nennt. Die musikalisch perfektionistischen, für die damaligen Studiotechnik-Verhältnisse bis ins letzte ausgefeilten Songs vereinten die Elemente von Soul, Rhythm 'n' Blues, Funk, Pop und Rock. »EWF« war eine der ersten Gruppen, die gleichermaßen bei Farbigen wie Bleichhäuten, bei Tanz-Freaks wie Radiohörern ankam: Die Quadratur des Kreises — jedenfalls aus Sicht desjenigen, der als Pop-Star erfolgreich sein will.
»Earth Wind & Fire« haben die »Disco«-Welle (und den Stil) maßgeblich mitgeprägt und gleichzeitig Äther-Pop der allerbesten Sorte geliefert: Ganze Radiostationen (in unseren Breiten beispielsweise SWF 3) schwenkten Ende der 70er auf die Machart der opulenten und rhythmisch federnden »EWF«-Songs ein — und hatten damit viel Erfolg. Später, als dick aufgetragene Show nicht mehr gefragt war, statt dessen minimalistische New-Wave- und Punk-Töne, wurde es ruhiger um »EWF« — ganz verschwunden von der Bildfläche sind sie dank ihrer auch heute noch oft gesendeten Radio-Hits nie.
Der Mentor und Motor des Ganzen, Maurice White, hat wie viele andere »Oldies« der Branche dem stressigen Tour-Live-Betrieb schon längst den Rücken gekehrt Szene-intern wird gemunkelt, daß er sich mit den anderen nicht mehr besonders gut versteht.
In Stuttgart stand also Philip Bailey, der soundprägende Sänger mit der unverkennbar charakteristischen, hellen Falsettstimme, im Vordergrund. Er, Drummer Ralph Johnson und Bassist Verdine White sind aus den Anfangstagen heute noch dabei; mit ihnen spielten sieben exzellente Profis.
»Nicht kleckern, sondern klotzen« war die Devise, auch wenn »Earth, Wind & Fire« anno '97 auf den optischen Pomp der Spätsiebziger verzichten. Kein Krieg der Sterne wie damals auf der Bühne, kein Laser- oder Blitz-Gewitter wie heute schon fast Standard bei Großkonzerten: Die Musik steht im Mittelpunkt — und die alten Hits bringen Bailey & Co. mit großem Aufwand: Ein zweiter Schlagzeuger, zweimal Percussion, Gitarren, Tasteninstrumente und Sampler reichlich.
Damit schaffen die Musiker weitgehend 1:1-Reproduktionen der Plattenversionen ihrer Evergreens. «Boogie Down«, das »Boogie Wonderland«, »September«, »After the Love Has Gone« oder das »Land of fantasy« klingen genauso zupackend und elegant, genauso elegant und euphorisierend wie der alte Vinyl Stoff.
Und die mittelalterlichen Fans in der locker zu drei Vierteln gefüllten Messehalle B lassen sich von der nostalgisch-perfekten Vorstellung von Anfang an mitreissen. Selbst weit hinten, ja fast am Ausgang tanzen die Zuhörer. Still wird's im Publikum nur, wenn Bailey wieder mal ausgiebig solo seine Falsett-Künste vorführt. Manche verharren dann in Bewunderung, aber viele zeigen nach einer Viertelstunde purem Schmacht-Gesang auch einen dezent genervten Gesichtsausdruck. Bailey hatte offensichtlich wie früher mit einem Problem zu kämpfen: Er stellte sich zu sehr in den Vordergrund.
Statt Gejodel hätten die Fans wahrscheinlich lieber noch ein paar mehr dieser perfekt gespielten Superhits gehört — die Handvoll neuer Songs kam so gut wie gar nicht an. So war's ein etwas unspektakuläres Deutschland-Comeback der ehemaligen Tanzboden-Beherrscher. Völlig indiskutabel klang die Hallen-Verstärkung: Konzertbesuchern heutzutage — bei über 50 Mark Karten-Preis — einen dermaßen schlechten (und vom offensichtlich tauben Mixer-Mann »totgemischten«) Giesskannen-Sound anzubieten, ist eine bodenlose Frechheit. Jeder Zehn-Mark-Walkman liefert besseren Ton. (-mpg)
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