Am zweiten Abend der diesjährigen Jazz Open war die Legende des Memphis-Soul, Isaac Hayes angesagt. Wer sich von dem Black-Music-Star eine heisse Nacht des Funk und Soul versprach, wurde enttäuscht. Hayes und seine zwölfköpfige Big-Band schafften es über weite Strecken nicht, den Beethovensaal mit ihrem Funk-Bombast anzuheizen.
Woran lag's? Die Band war mit vier Keyboards reichlich überdimensioniert, Hayes Bassstimme hingegen bescheiden abgemischt. Die Band insgesamt funktionierte zwar technisch effizient, aber völlig unterkühlt. Da konnte keine Stimmung aufkommen, zumal der Saal mit zwölfhundert Besuchern relativ schlecht besetzt war. Und: Obwohl das Konzert ursprünglich unbestuhlt über die Bühne gehen sollte, konnte man sich's sitzend bequem machen. Mit der Folge, dass viele standen, etliche sassen und nicht wenige die verschiedensten Sitzpositionen unruhestiftend ausprobierten. Isaac Hayes schaffte es mit seiner Show nicht, die enttäuschten Fans für sich zu gewinnen. Da hatten es die fünf Mädchen von Zap Mama, die den Abend eröffneten, leichter. Sie boten, um Bass und Perkussion zum Septett erweitert, eine bunte Show, mixten Reggae, kreolische und US-Sounds geschickt — und animierten so das Publikum zum konzentrierten Zuhören.
Die Samstags-Besetzung der Jazz Open versprach hochkarätige Multikulti-Begegnungen. Statt dessen gab's letzendlich nur recht gut zusammengesbastelte Klischees zu hören. Als Ersatz für den charismatischen Rai-Musiker Khaled, der seinen Auf tritt in Stuttgart kurzfristig abgesagt hatte, kam das »Joe Zawinul Syndicate«. Der aus Wien stammende, seit den 60er Jahren in den USA lebende Keyboarder Zawinul gilt — spätestens seit seiner Zusammenarbeit mit dem »elektrischen« Miles Davis — als einer der wichtigsten Tastateure des modernen Jazz.
In der Liederhalle verschanzte er sich inmitten eines wahrhaft monströsen Keyboard- und Elektronikaufbaus: Vor sich im Halbkreis acht Manuale, auf dem Boden zwölf (!) Effektpedale, hinter sich grosse Kisten mit Samplern und Synthesizer-Modulen gleich im Dutzend. Zawinul scheint heute mehr noch als in vergangenen Jahrzehnten ein Technik-Freak zu sein — und wie so oft, wenn Jazzer viel Elektronik ins Spiel bringen, rechtfertigt das Endergebnis den Aufwand nicht: Das Syndicate klang allerdings nur in den besten Momenten wie die vorletzte Begleitgruppe von Miles. Die Trompete des Meisters hat allerdings in dem mal flächig-atmosphärischen, meistens funkigen Fusion-Mix schwer gefehlt.
Ansonsten verfuhr das Jazz-Rock-Syndikat nach der Devise »Schneller, höher, weiter«, stellte — ohrenbetäubend laut und nicht sehr transparent abgemischt enorm versierte Instrumentenbeherrschung zur Schau. Der Beethovensaal hat sich bei diesem mit achthundert Fans mager besuchten Konzert langsam, aber stetig geleert.
Die Dissidenten, in den 80ern auf Platte ein »Muss« in jeder Wohngemeinschaft und noch heute vor allem in Südeuropa und Nordafrika viel, viel populärer als zu Hause, schmissen vorher — ziemlich an gegenwärtige Tanzboden-Tendenzen angebiedert — ein knappes Dutzend (Ethno)-Popstile in einen Topf. Indisches und Drum-'n'-Bass-Geklappere, Klänge aus Tausendundeiner Nacht mit Rap-Versuchen und allerlei Mainstream-Zitaten querbeet abgeschmeckt und wieder dröhnend (zudem noch »matschig« klingend) serviert: Was zuviel ist, ist zuviel. Und weniger wäre mal wieder mehr gewesen.
»Nothing But The Blues« gab's zum Abschluss der diesjährigen Jazz Open. Beim Zwölftakt-Finale war der unbestuhlte Beethovensaal doppelt so voll wie tags zuvor und die Stimmung im Publikum von vornherein erwartungsvoll.
»Keb' Mo'«, ein relativer Neuzugang im Blues-Lager — rechtfertigte die in ihn gesetzten hohen Erwartungen kaum. Mag sein, dass seine gefällig-geschliffenen Popfunk-Variationen der letztendlich immer gleichen Blues-Themen eine breite Masse für Blues begeistern können. Wer den echten Stoff seiner Vorbilder kennt, kann auf den Nachahmer verzichten.
»The Real Stuff« gab's dagegen von der quicklebendig wirkenden Blues-Legende B.B. King zum krönenden Abschluss. Die Stuttgarter bejubelten (wie jedes andere Publikum) den 72jährigen Gitarristen und seine achtköpfige, wie immer hervorragende Blues-Band aufs Frenetischste. Und bekamen dafür von dem agilen Meister (wie bei jedem seiner Konzerte seit gut 15 Jahren) nicht nur ein »Best of«-Potpourri, sondern auch exklusive B.B.-Gitarrenplektren, die King im Publikum verteilte. (-mpg)
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