Eigentlich hätte er gerne noch mehr Zeit in Tübingen verbracht, aber nach dem Gig im Rahmen des »12. Internationalen Tübingen Festival« musste Joshua Redman, 28jähriger Sax-Überflieger aus dem kalifornischen Berkeley, gleich weiter zum nächsten Gig nach Österreich. »A very special town« fiel dem unprätentiösen jungen Meister zur Neckarstadt ein, und immer wieder lobte er die Aufmerksamkeit des Publikums im überfüllten ehemaligen Franzosen-Kino.
Das klang dann nicht einmal nach routinierter Erledigung der Showbiz-Hausaufgaben, sondern war wohl ehrlich gemeint. Und dass sich Redman und seine kongenialen Begleiter Peter Martin (Klavier), Peter Bernstein (Gitarre), Chris Thomas (Bass) und der überragende Schlagzeuger Brian Blade sehr gut gefühlt haben, wurde nicht erst bei dem — speziell den Fans im Foyer gewidmeten — »Dialog« in der frenetisch erklatehten Zugabe-Runde klar.
Redman und Co. zeigten sich nämlich auch im Vergleich zu den beiden zurückliegenden Tübinger Konzerten — musikalisch von ihrer allerbesten Seite: Das Quartett verband Spieltechnik auf allerhöchstem Niveau mit sehr seelenvollem (und tatsächlich auch im engeren Stilbegriff souligem) Ausdruck, brachte zwei reine Spiel-Stunden ohne Pause Jazz, der ebensogut in die Beine ging, wie er kleine graue Zellen anspruchsvoll fütterte. Redman selber deutete immer wieder Tanzbewegungen an und schien besonders beim gleichzeitig polyrhythmisch-vertrackten und dennoch (im Sinne der »Black Music«-Tradition) groovenden Spiel Brian Blades in Bewegung zu kommen.
Der Platten-Name ist hier wohl Programm: Den Schwerpunkt des Konzerts bildeten Stücke, die Redman auf seinem letzten Album »Freedom In The Groove« verewigt hat: Zwingend klang die Tübinger Live-Version von »Pantomine«, direkt hitzig »Hide And Seek« gegen Ende des Konzerts. Der »Jive Coffee« von Peter Bernstein balancierte elegant zwischen nervöser Ausdrucksfreiheit und swingender, tanzbarer Rhythmus-Form, und bei den »Cat Bells« liefen alle innerhalb des Songschemas improvisatorisch zu wahrer Hochform auf.
Hier wurde besonders deutlich, dass man Redman Unrecht tut, wenn man ihn in die Traditionalisten-Ecke stellt. Schon klar, dass der stetig preisgekrönte Musiker das Spiel auf Sopran-, Alt- oder Tenorsax nicht neu definiert.
Aber: Redman spielt nicht nach, sondern bemüht sich recht erfolgreich um einen eigenen Ton und eine eigene Aussage. »Ich höre sowohl mit stilistischer Unschuld wie auch mit ästhetischer, kritischer Intelligenz«, sagt er. Weil er diesen Spagat auch im fünften Jahr seiner Profi-Musikerkarriere anscheinend noch mühelos schafft, befriedigt sein Jazz Herz und Hirn. Und die Tübinger Hörer sind (wieder mal) ziemlich aus dem Häuschen. »Wir werden wiederkommen«, verspricht Joshua zum Abschied. (-mpg)
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