Und Live-HipHop kann doch Spaß machen: Jetzt zeigten die Schweizer von »Sens Unik«, »Cora E.« und der Münchner »Blumentopf« in Stuttgarts »Röhre«, daß es auch noch mehr gibt als Sound-Gigantomanie und plumpe Anfeuerungs-Sprüche, die man so oft in letzter Zeit auf Konzerten (nicht nur) in der Landeshauptstadt ertragen musste.
Zwei Bands des »FourMusic«-Labels der »Fantastischen Vier« — und, rein textlich betrachtet, die politisch schwer korrekte »Cora E.« aus dem Heidelberger »Advanced Chemistry«-Dunstkreis mittendrin: Ein ausgiebig langer HipHop-Abend — der aber für die rund 300 Besucher kaum Anlaß zur Langeweile, dagegen viel Motivation zum Tanzen bot: Die einzelnen Acts hatten zwar alle eigenständigen Charakter, verloren sich aber nicht in Experimenten, sondern brachten allesamt stark auf die 70er-Discomusik bezogene Rhythmen, bei denen Bewegung leichtfiel.
Witzig — und manchmal auch in der Nonsens-Blödelecke zuhause — zeigten sich die Bayern vom »Blumentopf«. DJ »Sepalot«, die Master of Ceremonies« (sprich: Schnellschwätzer) »Holunder« und »Kung Schu« hatten keinerlei Probleme, die zu meist jugendlichen Fans auf Touren zu bringen. Kein Wunder — auch wenn die Songs vom Debütalbum »Kein Zufall« studiomäßig ganz schön gestriegelt sind, ist der »Blumentopf« alles andere als ein Retortenprojekt: Die Band ist vor fünf Jahren als reines »Freestyle«-Improvisationsprojekt gewachsen und weiß, wie man sich die Fans erobert. Schade nur, daß hier der Sound in der »Röhre« nicht sonderlich gut war.
Bei »Cora E.« alias Silvia Mackow sind die Botschaften klar und deutlich zu vernehmen. Nicht, daß ihr DJ nicht auch fetzige Grooves gemixt hätte — aber hier standen die Texte ganz eindeutig im Vordergrund. Auch wenn die im hohen Norden aufgewachsene, gelernte Krankenschwester seit den Anfängen vor knapp zehn Jahren schon glatter, weniger eigenständig geworden ist, standen auch im Stuttgarter Konzert — tief ernstgemeinte und mit Sicherheit nicht leicht verkäufliche — Sozialkritik und detaillierte Schilderungen der eigenen Biographie sowie schwer Philosophisch-Moralisches im Vordergrund.
Davon haben auch »Sens Unik« jede Menge zu bieten — jedenfalls dem, der
Französisch kann: Die von Sängerin Deborah angeführte Band kommt nämlich aus Lausanne — in Stuttgart waren von Rapper Carlos gerade mal fünf Sätze Englisch zu hören.
Das hat nichts ausgemacht: Die Sprachbarriere überwanden die Edel-HipHopper, deren Ansatz wie Sound meilenweit entfernt ist von falscher schwermütiger Ghettoromantik und knochenharter Hardcore-Attitüde, ohne größere Probleme. Gleich am Anfang stellten sie bei den Fans fordernd klar, »daß hier gar nichts läuft, wenn ihr nicht mitmacht«.
Die Fans machten mit, und so gab's von »Sens Unik« (die sich ja gerade auch eine hervorragende »Battle« auf Platte mit den »Fantavier« geliefert haben) ein satt-hitziges Konzert. Bei dem kamen besonders die weithin bekannten Songs von »Chromatic« mit integrierten Publikumschören prima an. Aber auch für das gesamte restliche Material gilt: Eleganter, spielerischer und opulenter hat in Stuttgart noch kaum eine HipHop-Band geklungen. Das »Sens Unik«-Konzert war der krönende Abschluß eines langen, aber, wie gesagt, nicht langweiligen »Röhre«-Abends. (-mpg)
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