Hingerissen zeigte sich manch ein Härtefan der Rock-Legende Peter Green im Tübinger »Sudhaus«, eine sehr fachkundige, aber distanziertere Konzertbesucherin sprach dagegen von »Stadtfest-Niveau«.
Der Mann, der den Welthit »Black Magic Woman« (und nicht nur den) komponiert hat, der Mitgründer der Rock-Supergruppe »Fleetwood Mac« und Impulsgeber der britischen Bluesrockszene für ein ganzes Jahrzehnt, schien im mit rund 530 Besuchern bestens besuchten Derendinger Kulturzentrum nur ein Schatten seiner selbst zu sein.
Klar — informierte Rock-Omas und Opas (und von denen hatten viele den Weg ins »Sudhaus« gefunden) finden es toll, dass Green überhaupt noch spielt. Schließlich ist der heute 52jährige in den frühen 70ern psychisch immer mehr »abgedreht«, auf irgendeinem seiner zahlreichen Drogen-Trips »hängengeblieben«. 1977 wurde er — nachdem er einen Geldboten, der ihm einen Barscheck über 30 000 Pfund Tantiemen überbringen wollte, mit dem Gewehr bedroht hatte — in eine Nervenklinik eingewiesen, Diagnose: »Schizophrenie«.
Später, als es ihm wieder etwas besser ging, nahm er sein legendäres Album »In The Skies« auf, versank aber danach wieder, psychisch und physisch derangiert, in der Versenkung. Noch vor kurzem gab der schon immer als sensibel und scheu geltende Gitarrist einem britischen Journalisten zu Protokoll: »Oh . . . ich nehme irgendeine Sorte Tabletten, die mich ziemlich schläfrig macht . . . so verbringe ich den ganzen Tag«.
Auch im »Sudhaus« wirkte das — bis auf wenige kurze Momente mit Ansätzen eines scheuen Lächelns — mimisch völlig starre, aufgeschwemmte Gesicht des Superstars einer ganzen Generation künstlich unter Kontrolle gehalten. Ganz auf dieser Erde scheint Green immer noch nicht angekommen zu sein.
Und auch musikalisch stand es bei diesem Konzert gar nicht gut um ihn: Die ersten 20 Konzertminuten waren, inklusive einer völlig vergurkten »Black Magic Woman«-Version, eine reine Katastophe. Und auch in den restlichen eineinhalb Stunden boten Green und seine »Splinter-Group« wenn man jetzt mal den Star-Status außer Acht läßt — eigentlich eher Dürftigeres als eine der vielen regionalen Blues-Combos.
Das Zusammenspiel zwischen Chef und Band klappte meistens nicht so gut, Green schien, besonders auch auf der Mundharmonika, seine eigenen Tempo-Vorstellungen zu haben, die er niemandem mitteilte.
Sein Gitarrist Nigel Watson (auch er bei »Fleetwood Mac« dabei) leistet die Hauptarbeit, spielt öfters, wenn von Green mal wieder nichts zu hören ist, parallel exakt die gleichen Linien wie der ehemalige Meister. Den Robert-Johnson-Tribut bestreitet Watson im Prinzip alleine — und auch gesangsmäßig leistet er neunzig Prozent der Arbeit. Greens Stimme klingt, wenn er denn mal vernehmlich singt, gebrochen, dünn und unsicher.
Die »Splinter-Group« leistet an diesem Abend höchstens solid-durchschnittliche Arbeit, findet erst in der letzten halben Konzertstunde soweit zusammen, daß die Sache ein wenig Biß bekommt. Der Jubel der zahlreichen Alt-Rocker im Publikum ist ihnen da (wie vorher auch schon) sicher.
Andere mögen sich an den Plattenschrank heimgewünscht haben, den Rillen und Zeiten lauschend, wo noch keiner an den Abgesang einer Legende dachte. Man mag dem Schreiber dieser Zeilen vorwerfen, an der Demontage eines Rock-Denkmals mitzuwirken.
Darum geht's hier nicht; den Überbringer einer schlechten Nachricht trifft an den Tatsachen keine Schuld. Und Peter Green hat sich an diesem Abend selbst vom Sockel geholt. Leider.
Autor: Martin Gerner
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