Hans Söllner, der bayerische Hiasl der Postmoderne, gastierte wieder beim Tübinger »Kulturzelt« — der Eröffnungsabend des jetzt auf dem Festplatz stattfindenden Festivals war ausverkauft.
Aber nicht nur äußerlich gab's Parallelen zu den letzten Gastspielen des Liedermachers in der Gegend. Wie jedesmal bestand das Programm aus Spiegelungen der durch heftige Medien-Bearbeitung mittlerweile sattsam bekannten — Vorliebe des Künstlers für Marihuana und Haschisch. Und wie jedesmal waren die »Ansagen« bei Söllner eher epische, stellenweise selbstvergessen wirkende Monologe von teils quälender Länge — länger und zahlreicher als die Songs.
Nicht, dass der Barde in seinen Attacken wider Staat, Kirche, Ordnung und Regulierungsversuche nicht ab und zu verschmitzt-rustikalen Witz unterbrächte. Und die Sprachbilder, die ihm einfallen, wenn er sich in wütigen Zorn hineingequasselt hat, sind in den besten Momenten plastisch, schlagfertig und plakativ treffend.
Aber auch diesmal schien's, als ob Söllner ein bisschen die Kontrolle über die dramatische Wirkung seines Vortrags verloren hätte — oder vielleicht war's ihm ja auch ganz egal, daß bei der Verbreitung seiner Erlebnisse mit der Justiz auch mächtig Langeweile entstand?
Unter anderem erging sich Söllner — selbstverständlich vor derben Kraftausdrücken strotzend und vor Spott und Hohn nur so triefend — ellenlang um eine Verurteilung wegen Haschischbesitz in (Söllner-Konzertbesucher lachen schon, wenn nur der Begriff fällt) »geringer Menge«.
Diese Geschichtchen waren aber nur stellenweise witzig — und wenn man mal die Inhalte abzieht und nur auf die Sprache, die Gesten und den Ton achtet, gibt's zwischen Söllner und einem populistischen Politiker, der sich auf einer Provinz-Wahlkampfveranstaltung heißgeredet hat, keine großen Unterschiede.
Die Volksvertreter könnten sich aber freuen, wenn sie soviel Beifall bekämen wie der Söllners Hans: Die Tübinger Fans des Rebells mit der Klampfe zeigten sich auch diesmal überaus lach- und klatschfreudig.
Autor: Martin Gerner
Dienstag, 9. Juni 1998
Hans Söllner: Langatmig rebellisch
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