Rhythmen aus Afrika und vom P-FunkMiterfinder Bootsy Collins dominierten den zweiten und dritten Tag der Stuttgarter »Jazz-Open '98« — viel Neues gab's dabei allerdings nicht zu hören.
Nur rund 1200 — deutlich weniger als Festivalbeobacher und Leitung erwartet hatten, kamen am Freitag zur »African Night« in den Hegelsaal. Diese vergleichsweise zögerliche Resonanz verwundert insofern, als sich mit King Sunny Ade aus Nigeria ein Musiker angesagt hatte, der nicht nur in Afrika ungeheure Popularität geniesst, sondern auch weltweit seit über drei Jahrzehnten mit seinem schnellen »Juju«-Beat präsent ist.
Sein Stuttgarter Konzert geriet — an seiner eigenen Produktion gemessen — künstlerisch eher mittelmäßig. Klar lieferten besonders die sieben (!) Schlagwerker unter seinen eineinhalb Dutzend Begleitern perfektes Groove-Handwerk. Aber weil nach einem energisch-schnellen Anfang mit viel funkigen Sechzehntel-Gitarrennoten kaum Abwechslung kam, mussten gerade die treuen Fans enttäuscht sein. Von der Einbindung aller möglichen (und unmöglichen . . .) Musikstile in die »Juju«-Spielart, wie sie Ade auf seinen Platten schon vorgeführt hat, war nicht viel zu hören — und der mögliche Ohrenkitzel, den die an sich für polyrhythmische Trommel-Orgien bekannten Musiker hätten bieten können, wurde den Fans an diesem Abend — auch wegen der nicht sehr transparenten Live-Beschallung — verwehrt.
Überzeugender, abwechslungsreicher arrangiert und wegen der vielen Mitsing-Harmonien auch viel eingängiger geriet das Konzert von Mory Kante aus Guinea. Hier waren die dicht miteinander verwobenen Staccati zweier Xylophone in Kombination mit dem rhythmisch nicht minder komplexen Spiel Kantes auf der »afrikanischen Harfe« Kora besonders reizvoll — und das Schlagwerker-Quartett liess ein ständiges »Crossover« der verschiedensten Rhythmen aus aller Herren Länder hören. Die Zuhörer gingen bis spät in die Nacht mit — und als Mory kurz vor halb eins seinen weltweiten Disco-Hit von 1987, »Yeke Yeke« intonierte, kam noch mal richtig Partystimmung auf.
Die Überraschung der »African Night« war Habib Koite aus Mali. Der Überflieger der Worldmusic-Charts kam mit »kleiner«, fünfköpfiger Band und präsentierte ein auch akustisch feines, sehr abwechslungsreiches Konzert — mit ganz »luftigen«, weiträumigen Arrangements und wesentlich mehr dynamischen Variationen als die anderen Bands.
Die Funk-Nacht begann mit glatt-eleganter, sehr organisierter und wohlüberlegter Groove-Musik — und endete mit wilden, knallharten und erbarmungslos lauten Energieausbrüchen. Zuerst lieferte die »Nils Landgren Funk Unit« — Ersatz für das wegen Krankheit ausgefallene Ulmer Duo »Tab Two« — technisch hochkarätigen, aber etwas blutleer anmutenden Fusion-Funk-Jazz. Die akustische Nähe zu dem, was etwa die »Brecker Brothers« machten und machen, war gering — viel Eigenständigkeit besitzt die »Funk Unit« (bei allem individuellen Posaunen-Aus druck des Chefs) im Vergleich zu den arrivierten Bands des Genres nicht.
Bootsy Collins, der ehemalige James-Brown-Mitstreiter und »alter ego« von P-Funk-»Papst« George Clinton, liess lange auf sich warten. Sein Auftritt im Hegelsaal geriet dann (wie erwartet) schrill bunt und »durchgeknallt« — aber die Massen-Tanzparty blieb aus.
Das neue Material der aktuellen CD fiel live gegenüber den x-ten Neuauflagen bekannter P-Funk-Hits sowohl in musik-technischen Belangen wie auch von der — verbal unfaßbaren — Ausstrahlung her betrachtet ab. Und das, obwohl Bootsy und sein sattes Dutzend Mitmusiker sich alle erdenkliche Mühe gaben, solche Klassiker wie »One Nation Under A Groove« wurstig herunterzunudeln. Blass und letztendlich überflüssig schienen auch die Einlagen der Stuttgarter HipHop-Cleverles Thomas D. (im Wischmop-AfroLook) und SMUDO von den »Fantastischen Vier«: Ob denen auch noch mal was anderes einfällt, als bei Gastauftritten immer nur »Respekt ist unsere Aufgabe / und nicht 'ne falsche Maske, die ich aufhabe« zu rappen?
Der P-Funk-Party zusätzlich abträglich war die selbstvergessen-egozentrische Skalenhatz von Keyboard-Meister Bernie Worrell — und von Bootsy Collins selbst war zwar die bekannte, überdimensionale sternförmige Brille und der ebenso geformte Bass zu sehen — aber ausser ein paar tieffrequenten Attacken auf die Magengrubc nur wenig zu hören: Der P-Funk-Meister beschränkte sich in Stuttgart im wesentlichen darauf, spielen zu lassen. Schade drum. (-mpg)
500 von 5000
In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...
-
»Wer zum Teufel ist Axl Rose?« flachste ein bestens aufgelegter Wolfgang Niedecken, »wir haben Axel Büchel.« Widerspruch kam unter den rund ...
-
Eine Parodie des Clownseins, der Besuch einer Freundin, eine hinreißend komische Einrad-Nummer und noch einiges mehr bot der Clown Georgo Pe...
-
So ausdauernd waren die Tübinger Brasil-Fans schon lange nicht mehr: Bei der Afro-Brasil-Party war das »Foyer« selbst nachts um vier auf all...