Montag, 18. Januar 1988

Michael Schomers: »Lichterketten reichen nicht«

Obwohl das Thema höchst aktuell ist, kamen nur rund dreißig Leute in die Pfullinger Stadtbibliothek - viel zu wenig angesichts »Deutschland ganz rechts«. Diesen Titel hat der Kölner Journalist mit dem Arbeitsschwerpunkt »politische Fernsehdokumentation« seinem vor zwei Jahren bei Kiepenheuer & Witsch erschienenen Buch gegeben. Zur Lesung, die nicht stattfand, hatte neben der Stadtbibliothek die Pfullinger Volkshochschule eingeladen.
Die Besucher saßen vor dem Fernseher: Schomers zeigte eine spannende Videoreportage aus dem Innenleben nicht nur der Kölner Republikaner - mit sich selbst, als Neumitglied »Theo Schomers«, als verdecktem Ermittler.
Nicht nur mit einer versteckten Kamera, sondern auch völlig offen filmte Schomers auf 8mm-Videoband sieben Monate lang bei den »Reps« intern mit: »Jeder kannte mich, das fanden alle normal, dass der Schomers das Parteileben dokumentiert«. Außerdem waren immer wieder reguläre WDR-Fernsehteams »zufällig« mit Dreharbeiten in der Nähe beschäftigt.
Bis zum zweiten Mann im Innenstadt-Bezirk Kölns brachte es Michael Schomers als Republikaner »Theo«, konnte ungeniert die internsten Dinge mitfilmen - zum Beispiel ein Gespräch zur Wahlkampftaktik, wo einer die Devise ausgibt: »Nach oben Gewaltfreiheit, nach unten müsst ihr 'reintreten'«.
Schomers zeigte die Demagogie der »Rep«- Parole »Ausländerfeindlichkeit begrenzen durch Einwanderungsbegrenzung« auf, die enorme Fluktuation der Mitglieder und Pöstcheninhaber unter den verschiedenen rechten Gruppierungen - und vor allem wie kalkuliert bei den »Reps« Stimmen gefangen werden. Auf einer geheim gefilmten Versammlung fragt einer Schönhuber, ob das russische Königsberg denn nicht noch deutsch sei: »Ja sicher«, lautet die Antwort - aber aus taktischen Gründen solle man das doch nicht in den Vordergrund stellen.
Die lange »Diskussion« nach dem Film entwickelte sich spannender als zunächst vermutet. Vier Besucher gaben sich als »Republikaner«-Mitglieder zu erkennen, polemisierten teilweise auf niedrigstem Niveau gegen Schomers und betonten alle übereinstimmend, dass das im Film Gezeigte vielleicht anderswo üblich sei, aber in den regionalen »Rep«-Verbänden alles ganz anders sei. Das passte zu Schomers These, dass permanent versucht werde, »sich ein legalistisches Mäntelchen anzuziehen«.
Deswegen würden Lichterketten gegen Ausländerfeindlichkeit und Menschenverachtung auch nicht reichen. »Was ist los, wenn keine Gewalttaten mehr passieren? Lehnen wir uns dann bequem zurück?« fragte Schomers und forderte, nicht bei den stummen Protesten stehenzubleiben, sondern »dahinter zu schauen«.
In der Einfachheit des »Republikaner«-Weltbilds liege die Gefahr: »Selbst ich hab' mir irgendwann mal gedacht, dass es viel einfacher wäre, einfach als Rep 'Theo' sitzenzubleiben«. Schomers, der vor seiner Medienkarriere als Pädagoge arbeitete, forderte eine »Erziehung zum Aushalten von Widersprüchen« als mögliche zukünftige Antwort auf politische Rattenfänger.
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 18. Januar 1988

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