Vor kurzem haben die beiden zusammen mit dem Schlagzeuger Peter Giger und seiner »Family of Percussion« eine vielbeachtete und -gelobte Schallplatte eingespielt.
»Moon at Noon« heißt diese LP, war der Titel des Konzerts und auch der Name des ersten Stücks im Tübinger Gastspiel. Eine Menge Klopfgerät war auf der Bühne aufgebaut: Neben Peter Gigers imposantem Schlagzeugaufbau (er spielte mit doppelter Baßtrommel und gleich einem ganzen Arsenal von Becken) gab es da fast alle bekannten Perkussionsinstrumente zu hören und zu sehen; dazu kamen Instrumente und Sounds, die man in dieser Kombination sonst selten oder gar nicht hören kann.
Die Trommelfraktion setzte sich — neben Giger — aus Tom Nichlas (was für ein Conga-Spieler!) dem für Trilok Gurtu (warum er nicht spielte, blieb sein Geheimnis) gekommenen Tabla-Spieler Peter Szalai und dem Perkussionisten Michael Küttner zusammen. Diese Musiker beherrschten virtuos atemberaubend polyrhythmische Muster und entwickelten eine Dynamik, daß einem manchmal die Kinnlade (staunenderweise, natürlich!) nach unten klappte.
Das Konzertprogramm deckte sich — bis auf ein Stück — mit den Titeln von der Platte. Allerdings ist — die zeitliche Beschränkung fällt weg und das »Feedback« ist auch anders — bei der Live-Präsentation wesentlich mehr Raum für Improvisationen und perkussionistische Kollektiv-Soli Platz. Und das ist in diesem Fall gut so: Dauner und Mangelsdorf waren in Tübingen nämlich gut aufgelegt; man spürte ihre Lust am Spiel deutlich.
Der Stuttgarter Keyboarder ließ diesmal den Synthesizer zu Hause und beschränkte sich aufs E-Piano, dessen Klänge ab und zu mit Effektgeräten geringfügig verändert wurden. Mangelsdorff spielte — was sonst — Posaune; sein einzigartiges mehrstimmiges Spiel (er singt durch die und mit der Posaune; dadurch entstehen die ungewöhnlichsten Obertonkombinationen) bekam das überwiegend studentische Publikum allerdings nur wenig zu hören. Was die beiden auf ihren Instrumenten machen, gehört zum Besten, was der Jazz heute zu bieten hat.
Die »Roots«, die musikalischen Wurzeln also, kamen — jedenfalls, was die Rhythmik angeht — aus der afrikanischen Ecke. Zusammen mit dem enorm swingenden und gleichzeitig trotzdem sehr erdigen, »groovenden« Spiel ergab sich eine faszinierende Grundlage für die beiden Melodieinstrumente. Was man alles mit Schlaginstrumenten machen kann, wurde nach der Pause deutlich, als »Perkussion pur« angesagt war: Zwei Stücke und 35 Minuten lang wurde ein blubbernde, zirpende, quakende, manchmal beängstigende Klanglandschaft unter Mithilfe von zwei Dutzend Gongs, Schlaghölzern und anderen selten eingesetzten »Selbstklingern« entwickelt. Nach knapp zwei Stunden und einer Zugabe verabschiedeten sich die Musiker. Wenn man von den gelegentlichen stilistischen Ausrutschern des verkrampft wirkenden Küttner absieht, war's ein rundum tolles Konzert. (mpg)