Da scheint es nur logisch, dass der Festsaal der Universität in Tübingen bei seinem Auftritt brechend voll war — und das schon 40 Minuten vor Beginn! »Eine Tournee in das Innere des Zustands« ist der Untertitel des mittlerweile zehnten — Soloprogramms; er ist, wenn man hinter den stolpernden Stil schaut, durchaus zutreffend.
Mathias Richling lässt seine Mitbürger schwätzend und babbelnd zu Wort kommen, seine Typen sind universell anwendbar, auch wenn sie in Gestalt des populären Fernsehschwaben (für den der geistige Horizont mit der Schirmdiagonale identisch ist) daherkommen oder jener Hessin, die an allem und jedem das Interesse verloren hat — es aber nicht lassen kann, über diese Tatsache endlos zu fabulieren.
Das Lachen des Publikums (es lachte dauernd) kommt bei Richling — neben den einfach witzig-perfekten Politikerparodien und den hinreißenden Versprechern und grammatikalisch-logischen Winkelzügen — wohl auch ein Stück weit über die Selbsterkenntnis zustande.
Vom Autonarr (»mit Blei hält das Auto 30 Jahre und ich auch, bleifrei das Auto 29 und ich 35 — Was mach' ich mit den sechs Jahren?«) über fanatische Nichtraucher (»Sobald ich eine Zigarette sehe, muss ich nicht rauchen«) bis hin zur aktuellen Politiker-Garde und deren Machenschaften — Richlings kuriose Figuren philosophieren über alles und jeden, wundern sich über die Blödheit »der anderen« und sind doch selber manches Mal ganz schön bescheuert.
Diese »Tournee in das Innere des Zustands« ist auch belämmernd; dieses »Innere« sind vielleicht wir selber, und in Mathias Richlings Zerrspiegel entspricht das Aussehen nicht immer den Erwartungen.
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 17. Juli 1988