Samstag, 18. Juni 1988

B.B. King: King of Blues

Er ist ohne Zweifel die Vaterfigur von Heerscharen moderner Blues- und Rockgitarristen.
»Jeder Bluesgitarrist, der ihn nicht als einen wichtigen Einfluss nennt, ist entweder ein Ignorant oder ein Lügner« meint die »Rock'n'Roll-Bibel«, die Zeitschrift »Rolling Stone«. B.B. King, die markante Abkürzung B.B. stammt von dem Pseudonym »Beale Street Blues Boy«, das sich der Künstler während seiner Zeit als Discjockey zulegte, wurde am 16. September 1925 auf einer Farm in Itta Bene, Mississippi, geboren. Die Kindheit war hart: Als er vier Jahre alt war, verließ sein Vater die Familie, die Mutter starb, als B.B. gerade neun Jahre alt war. »Ich molk zehn Kühe am Morgen und zehn am Abend. Zur Schule war's ein Weg von fünf Meilen.«
Mit knapp zwölf Jahren arbeitete King als festangestellter Farmarbeiter. Eigentlich wollte er ja Spirituals singen, so wie das »Golden Gate Quartett« vielleicht, aber es kam doch anders. B.B. ließ sich von seinem Vetter, dem Bluessänger Bukka White, die ersten Gitarrenakkorde beibringen.
30 Dollar die Woche konnte er als Straßensänger mit seiner Kunst verdienen. Mitte der vierziger Jahre arheitete King als Discjockey bei einer Radiostation in Memphis und spielte neben Bluesscheiben auch Jazz- und Country-Platten. 1949 machte er für das »Bullet«- Label erste Aufnahmen; der erste Hit kam drei Jahre später und hieß »Three O'Clock Blues«.

Damit begann eine beispiellose Karriere: Bis heute verkaufte B.B. King mehr Platten als jeder andere Bluessänger oder Bluesgitarrist. Dabei hat der Künstler zumindest in der ersten Hälfte seiner Laufbahn nie Zugeständnisse an die Hörgewohnheiten der breiten Masse gemacht: »Wenn Nat King Cole in Nightcluhs auftreten und ein großer Popsänger sein konnte, wenn Frank Sinatra mit seinen Songs ein grosser Mann werden konnte, wenn Mahalia Jackson durch ihre Spirituals berühmt wurde — warum sollte ich dann nicht Blues singen und trotzdem ein Künstler sein?«
B.B. King steht durchaus konsequent in jener Reihe, die mit dem Jazzgitarristen Charlie Christian begann. Mit der elektrischen Verstärkung der Gitarre, deren natürlicher Ton ja recht kurz klingt, wurde der Klang immer mehr entfremdet, immer länger. King ist ein Meister auf der E-Gitarre. Joachim Ernst Berendt schreibt in seinem Jazzbuch: »B.B. King reitet den Gitarrenton. Er läßt ihn anlaufen, springt ihn an und setzt sich drauf, gibt ihm die Sporen und läßt ihm die Zügel schießen, zieht wieder die Zügel an, setzt ab — und springt auf das nächste Pferd, den nächsten Ton« — besser kann man Kings Spiel nicht beschreiben.
Der »König des Blues«, diesen Titel verlieh ihm 1966 die amerikanische »Discjockey Association«, beeinflußte zahllose Gitarristen. Jimi Hendrix zum Beispiel nannte ihn als wichtigstes Vorbild. King arbeitete mit den »Crusaders«, mit Stevie Wonder und vielen anderen mehr. Er ging zusammen mit den »Rolling Stones« auf eine Tournee und hatte so die Möglichkeit, in der Carnegie Hall zu spielen. Trotzdem kennen ihn auch heute nur Leute, die sich für Blues und Jazz interessieren. »Mein Pech war, daß ich als Bluessänger und Bluesmusiker etikettiert wurde. Wenn ich nun versuchen würde, dieses Image zu ändern, würden die Leute sagen: Das ist ein Bluesmusiker, der kann doch keinen Jazz oder irgend etwas anderes spielen. Heute habe ich das Image eines Bluesmusikers und spiele jede andere Musik und die Leute akzeptieren es, weil ich es unter der Etikette eines Bluesmusikers spiele. Ich für meinen Teil bin zufrieden, ich liebe den Blues und empfinde diese Bezeichnung nicht als beleidigend oder einengend. Ich mache so oder so die Musik, die mir Spaß macht, auch wenn sie aus diesem oder jenem Grund nicht die Möglichkeit hat, so populär zu werden, wie man das vom Rad oder Pop kennt.«
In den vergangenen Jahren veröffentlichte King zwar eine Reihe von Platten, die mit Streicher-Zuckerwatte oder weiblichem Hintergrundgesäusel durchaus Zugeständnisse an ein neues, weißes, Publikum machten. Schließlich sollten ihn auch die Leute mögen, die vorher noch nie bewußt Bluesmusik gehört hatten. Live gibt es diese »Cross over«-Konzepte allerdings nicht. Da ist er — nach wie vor und seit vierzig Jahren — immer noch »The King of the Blues«. Und als solcher ein Leckerbissen, den live das Tühinger Zentrum Zoo am 7. Juli im Tübinger Schloßhof anbietet. (mpg)

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