Samstag, 9. Juli 1988

B.B. King: Nothing but the blues

Zuerst kam »the Juke« — Rhythm and Blues mit einer gehörigen Portion Soul und Funk aus dem Umfeld von »Supercharge« — Musik also, von der man annimmt, daß sie in Tübingen bestens bekannt ist und wohl auch gern gehört wird. Die Musiker konnten einem leid tun: Um dreiviertel acht kamen sie auf die Schloßhof-Bühne, bis viertel zehn sollten sie spielen —  schon nach 45 Minuten verließen die Engländer mit der wirklichen scheußlichen Bühnen-Garderobe die Bühne. Das Publikum reagierte so gut wie überhaupt nicht auf die extrem rhythmische und »funkige« Musik.
Ob das jetzt daran lag, daß Blues-Fans nicht auch Rhythm and Blues-Fans sind, oder am schlechten Sound, der die dynamische Musik zu einem wenig ansprechenden Brei verdichtete — die Musiker jedenfalls müssen sich schrecklich gefühlt haben, als sie nach zehnminütiger Pause — wohl zur Vertragserfüllung — noch einmal auf die Bühne kamen und bis exakt 21 Uhr 15 spielten. Irgendwann wachte dann auch noch das Publikum auf und forderte sogar eine Zugabe.
Bei den letzten Tönen von »Juke« rollte der Meister persönlich im Schloßhof ein: Daß ein Musiker bis vor die Bühne gefahren wird — die Band im Bus hinterher — das hat es in Tübingen noch nicht gegeben. Um genau zehn Minuten vor zehn war es dann soweit: Die siebenköpfige Band (eine Bläsersektion mit Trompete und zwei Tenorsaxophonen, Baß, Schlagzeug, Keyhoards und Rhythmusgitarre) feuerte — zum Anheizen — zwei schnelle, energiegeladene Nummern ab, und dann wurde die Legende angekündigt — B. B. King in einem Ton.
Kaum ein Gitarrist vermag soviel Emotionen auf der elektrischen Gitarre zu transportieren, keiner, der so wie B. B. King zum Synonym für »Blues« geworden ist.

Der Aufbau der Show im Schloßhof war perfekt. King ging intensiv — wie sich das bei Blueskonzerten »gehört« — auf das Publikum ein und baute geschickt einen Spannungsbogen, der — egal, ob gerade ein fetziger Song oder eine gefühlvolle Blues-Ballade aus den Boxen klang — bis zum Ende des Konzerts ständig an Intensität zunahm.
Seine Begleitmusiker — es war ja eigentlich ein einziges großes Gitarrensolo — glänzten neben einer tadellosen Technik durch viel Spielfreude und musikalischen Kommunikationswillen; so manches Frage- und Antwort-Spielchen (besonders auffallend der junge Bassist, dem King besonders viel Raum ließ) wurde da durchgezogen.
Nach exakt 120 Minuten verließ die lebende Legende die Schloßhof-Bühne — ohne Zugabe. Zwar wuselten gleich nach dem Konzert Techniker auf der Bühne herum und Musik vom Band wurde eingespielt — mit ein bißchen mehr Energie (das Publikum war eh' lasch) hätte man den Gitarristen sicher noch zum Weitermachen bewegen können. Vielleicht wären die Leute, die in den Bäumen rund um die Schloßmauer hingen (in der Hoffnung, das Gelände ohne Eintrittskarte entern zu können) am Ende die besseren Fans gewesen... (mpg)

500 von 5000

In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...