»Was ist das berühmteste Buch? Wieviele Bücher haben Sie geschrieben? Wie lange schreiben Sie schon? Hilft Ihnen jemand beim Schreiben? Wieviel verdienen Sie mit Büchern?« — Der Fragenkatalog, den die zehn-bis zwölfjährigen Zuhörer am Dienstagnachmittag an den Autor Herbert Heckmann richteten, war schier unerschöpflich.
Ob jetzt die Lehrer ihre Schüler aufs Fragen trainiert hatten oder ob das lebhafte Interesse von alleine kam, ist egal. Der 58jährige Professor für Sprach- und Literaturwissenschaften, selber Vater von drei Kindern, fand von Anfang an den richtigen Draht zu den jungen, sehr lebhaften, aber dennoch aufmerksamen Hörern: Das berühmteste Buch kann er selber nicht nennen, geschrieben hat er schon über 20 Bücher (14 »für Erwachsene«), schreiben tut er seit 35 Jahren und geholfen hat ihm keiner. Mit gespielt trauriger Miene bekennt der Hesse, daß seine Geschichten alle »erstunken und erlogen« sind; bestenfalls lasse er einige Details aus der Wirklichkeit in seine Bücher einfließen.
Die Geschichten, die er im vollbesetzten großen Studio der Stadtbibliothek vorlas, waren so recht nach dem Geschmack der Kinder: Da gibt es den Erwin, faul und schläfrig, der eigentlich immer nur davon träumt, eines Tages in der Fußballmannschaft mitzuspielen. Weil er mit einer Dose eine Fensterscheibe im vierten Stock zerdeppert, schafft er den Aufstieg von der Zuschauer- auf die Spielerbank: Erwin ist ob seines gewaltigen Fensterschusses fußballerisch etabliert und trifft in seinem ersten Spiel sogar das Gehäuse, weil er »schon immer davon geträumt hat«.
Eine andere Geschichte heißt »Wer will unter die Erwachsenen ?« Darin geht es um Susanne und Kurt, die mühsam als Erwachsene verkleidet auf die elterliche »Sommemachtsparty« gehen. Kurt schwitzt fürchterlich unter der Perücke. Die Stelzen, auf die er sich gestellt hat, wackeln bedrohlich, und das Erwachsenen-Gerede geht ihm auch auf die Nerven: »Am besten, ich rede Quatsch«. Ihm wird alles zuviel, er flüchtet in Unterhosen. Wie kann man das Älterwerden nur vermeiden?
Die Geschichten kamen glänzend an, der Autor offenbar auch. »Das Schreiben kommt manchmal über einen«, meint Heckmann, »verdienen kann man damit aber nicht viel« — und enttäuscht damit die Vorstellung der jungen Fragerin von einem stinkreichen Autoren-Leben.
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 22. September 1988
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