Eigentlich sollte sie ja am »Ovalen Tisch« in der Lyrik-Ecke der Reutlinger Stadtbibliothek lesen: Das Interesse an der Lyrikerin und freien Schriftstellerin Margarete Hannsmann war jedoch so groß, daß die Veranstaltung kurzerhand ins »Große Studio« verlegt wurde, das dann auch bis auf den letzten Platz besetzt war. Die 1921 in Heidenheim an der Brenz geborene Lyrikerin war verschnupft — in zweierlei Hinsicht: Tags zuvor hatte es sie »erwischt«; »ohne Krächzen wird es wohl nicht abgehen«. Und dann stellte ein Kollege von der sendenden Zunft der Vortragenden zehn Minuten vor Beginn die »unmöglichsten Fragen«.
Margarete Hannsmann veröffentlichte nach einer Schauspielausbildung und der Tätigkeit als Buchhändlerin und anderen verschiedenen Berufen 1964 ihre erste Lyriksammlung »Tauch in den Stein«; bis heute sind 18 weitere gefolgt. Den Aalener Schubart-Preis erhielt sie 1976, der Literaturpreis der Stadt Stuttgart bekam das Vorstandsmitglied des »Vereins der Schriftsteller Baden-Württemberg« und Mitglied des PEN-Präsidiums (seit 1984) vor sieben Jahren.
In der Stadtbibliothek las Margarete Hannsmann mit ruhiger, genau artikulierender Stimme — die Erkältung merkte man ihr kaum an — verschiedene Gedichte »apres Grieshaber«: »Kreuzgang«, »Katakomben in Rom«, »Park der Villa Massimo«, um nur einige zu nennen. Ihre Liebe zu Griechenland kam in zwei Gedichten zum Ausdruck; allerdings ist ihr bei einem kürzlichen Athen-Besuch angesichts des Drecks und der hoffnungslos Auto-verseuchten Stadt »das Singen vergangen«. Die Beziehung zu dem Holzschneider von der Achalm, HAP Grieshaber, wurde in zwei Liebesgedichten beschrieben.
Das Publikum im »Großen Studio« lauschte dem unprätentiösen Vortrag aufmerksam bis ergriffen. Besonderes Interesse fand auch ein kurzer Prosatext, der erst vor drei Wochen fertig geworden ist: »Jetzt, wo ich ruhiger geworden bin, wo die Zeit eine andere Dimension hat, habe ich auch Zeit für Prosa«.
Margarete Hannsmann erzählt die Geschichte einer Puppenstube, die von Heidenheim über Reutlingen in Stuttgart gelandet ist. Im Verlauf des Textes wird die genaue, fast pingelige Beschreibung der Puppenstuben-Einrichtung von immer persönlicheren Erinnerungen und dem dazugehörigen historischen Kontext abgelöst.
Autor: Martin Gerner
Erstabdruck/Erstveröffentlichung: Reutlinger General-Anzeiger, 23. September 1988
500 von 5000
In diesem Blog habe ich 500 von rund 5000 Artikeln und Kritiken archiviert, die ich zwischen 1984 und 2012 in verschiedenen Tageszeitungen v...
-
»Wer zum Teufel ist Axl Rose?« flachste ein bestens aufgelegter Wolfgang Niedecken, »wir haben Axel Büchel.« Widerspruch kam unter den rund ...
-
Eine Parodie des Clownseins, der Besuch einer Freundin, eine hinreißend komische Einrad-Nummer und noch einiges mehr bot der Clown Georgo Pe...
-
So ausdauernd waren die Tübinger Brasil-Fans schon lange nicht mehr: Bei der Afro-Brasil-Party war das »Foyer« selbst nachts um vier auf all...